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Töten für den Machterhalt

Burundis Präsident lässt Proteste niederschlagen. Zehntausende fliehen

Von Jörg Tiedjen *

Der burundische Staatschef Pierre Nkurunziza scheint fest entschlossen, sich nicht von der Macht zu verabschieden. Am 25. April verkündete die Regierungspartei »Nationalrat zur Verteidigung der Demokratie – Kräfte zur Verteidigung der Demokratie« (CNDD-FDD) offiziell seine Kandidatur bei den Ende Juni bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Die Polizei geht mit Gewalt gegen Demonstranten vor, die eine dritte Amtszeit Nkurunzizas strikt ablehnen. Presse, Rundfunk und Internet werden zensiert. Nachdem Audifax Ndabitoreye – ein Oppositioneller, der selbst für die Präsidentschaft kandidiert – am Mittwoch an einem Treffen mit den Außenministern der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) teilgenommen hatte, wurde er vorübergehend als »Umstürzler« verhaftet. Bei Protesten im ganzen Land sind in der vergangenen Woche verschiedenen Medienberichten zufolge etwa 20 Menschen getötet worden, Hunderte wurden verletzt. Die Polizei verhaftete zahlreiche Demonstranten, mehr als 50.000 Menschen haben nach UN-Angaben in den Nachbarländern Zuflucht gesucht.

Nkurunziza wurde zum ersten Mal 2005 zum Präsidenten gewählt – vom Parlament. Daher behaupten seine Anhänger, dass rechtlich einer Wiederwahl nichts im Wege stehe. »Der Präsident«, heißt es in Artikel 96 der burundischen Verfassung, »wird allgemein und direkt für ein Mandat von fünf Jahren gewählt, das einmal erneuert werden kann«. So soll Nkurunziza erst eine reguläre Amtszeit hinter sich haben, denn nur einmal, 2010, sei der Urnengang »allgemein und direkt« gewesen – unter Boykott der Opposition, wohlgemerkt. Diese Auffassung bestätigte vergangenen Dienstag das Verfassungsgericht. Dessen Vizepräsident hatte jedoch dem Urteil widersprochen und floh kurz darauf ins Ausland. Ihm zufolge habe die Regierung Druck auf die Richter ausgeübt.

Die Opposition wirft Nkurunziza vor, mit Mitteln des Terrors eine Diktatur in Burundi errichten zu wollen. Bei der Lösung der Probleme des von einem langen Bürgerkrieg gezeichneten Landes habe er versagt. Die Gegner des Präsidenten verweisen auf die Arusha-Verträge für Burundi, die im Jahr 2000 dem Morden ein Ende setzen sollten und eine Teilung der Macht vorsahen. Nkurunziza, damals Anführer der Hutu-Guerilla CNDD-FDD, aus der dann die gleichnamige Partei hervorging, fühlt sich an das Vertragswerk jedoch nicht gebunden, da seine Fraktion es nie unterzeichnete.

Seit langem war vorauszusehen, dass die Präsidentschaftswahlen, denen Ende des Monats Parlamentswahlen vorausgehen, zu einer Krise in Burundi führen würden. Im Frühjahr 2014 berichteten Oppositionelle, dass die Parteijugend der CNDD-FDD, die Imbonerakure, in Lagern in der Demokratischen Republik Kongo militärisch trainiert würden. Der UN-Sicherheitsrat warnte vor einer Bewaffnung der Imbonerakure. Nicht zu übersehen sind die Parallelen zum Beginn des Genozids 1994 im benachbarten Ruanda: Der Blauhelmgeneral Roméo Dallaire hatte damals kurz vor dem Beginn des Völkermords an die UN appelliert, ihm zu erlauben, ein Waffenlager der dortigen Interahamwe-Milizen zu zerstören – vergeblich. Die Imbonerakure in Burundi sollen nach Oppositionsangaben an der Niederschlagung der gegenwärtigen Proteste beteiligt sein und mit der Polizei kooperieren. Lediglich das Militär verhalte sich neutral.

Die Regierungsseite ist nicht die einzige, die Gewalttaten begeht. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, sei am vergangenen Donnerstag ein Vertreter der CNDD-FDD in Bujumbura von einer marodierenden Menge lebendig verbrannt worden. Ähnlich war es 1993, als der Bürgerkrieg in Burundi begann, der Hunderttausende Menschenleben forderte. Die willkürliche Spaltung der Bevölkerung in eine Hutu-Mehrheit und eine Tutsi-Minderheit ist das vergiftete Erbe des deutsch-belgischen Kolonialregimes, das Burundi mit Ruanda teilt.

Für den 13. Mai haben die Staatschefs der EAC, die Nkurunziza drängen, mit der Opposition zu verhandeln, einen Krisengipfel in der tansanischen Metropole Daressalam einberufen. Ob sie ihn überzeugen können, auf die Kandidatur zu verzichten, ist fraglich. Nkurunziza glaubt weiterhin, dass nur er die Krise bewältigen könne, die er selbst hervorgerufen hat. Außerdem sind die anglophonen Präsidenten Ugandas und Ruandas keine Vorbilder in Sachen Machtverzicht: Yoweri Museveni regiert seit 1987, Paul Kagame seit 1994.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 12. Mai 2015


Aufstand in Burundi

Rebellierende Soldaten übernehmen Kontrolle der Hauptstadt Bujumbura. Staatschef Nkurunziza für abgesetzt erklärt **

Nach nächtlichen Kämpfen mit regierungstreuen Soldaten haben Aufständische im ostafrikanischen Burundi nach eigenen Angaben die Kontrolle über weite Teile der Hauptstadt Bujumbura übernommen. »Wir kontrollieren praktisch die ganze Stadt«, sagte der Sprecher der Rebellen, Venon Ndabaneze, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. Die in der Stadt eingesetzten Soldaten seien »auf unserer Seite«.

Am Mittwoch abend hatte der General und frühere Geheimdienstchef Godefroid Niyombare im privaten Radiosender Insaganiro verkündet, Staatschef Pierre Nkurunziza sei abgesetzt und die Regierung aufgelöst. Er habe »zahlreiche« hohe Offiziere, aber auch Polizisten hinter sich. Zu den ihn unterstützenden Generälen gehöre Silas Ntigurirwa, der bis vor kurzem Kommandeur der Einsatztruppe der Afrikanischen Union in Somalia war. Niyombare kritisierte das Vorhaben Nkurunzizas, bei der für den 26. Juni vorgesehenen Präsidentschaftswahl für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Im Februar war der General seines Amtes als Geheimdienstchef enthoben worden, nachdem er dem Präsidenten von der Bewerbung abgeraten hatte. Nun kündigte er ein »Komitee zur Wiederherstellung der nationalen Eintracht« an und gab die Schließung des Hauptstadtflughafens sowie der Landesgrenzen bekannt.

Für den Aufstand hatte Niyombare die Abwesenheit Nkurunzizas genutzt, der sich zu einem Gipfeltreffen im Nachbarland Tansania aufhielt. Von dort hieß es am Donnerstag, der Staatschef befinde sich weiterhin in Daressalam. Er sei in der Hafenstadt an einen sicheren Ort gebracht worden, verlautete aus Kreisen der Sicherheitskräfte. Nkurunziza hatte zuvor versucht, nach Burundi zu fliegen, die Rebellen hatten aber den Flughafen geschlossen.

Nkurunziza Gegner sehen dessen Kandidatur für eine dritte Amtszeit als verfassungswidrig an, während das Verfassungsgericht sie für rechtens befand. Bei Zusammenstößen von Gegnern des Staatschefs mit der Polizei wurden seit Ende April mindestens 22 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Allein am Dienstag waren mehrere tausend Menschen in Bujumbura auf die Straße gegangen. Die Polizei schoss Augenzeugen zufolge in die Menge. Dabei sei ein Demonstrant getötet worden, teilten die Sicherheitskräfte mit.

** Aus: junge Welt (online), 14.05.2015


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