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Amazonien brennt wieder

Zunahme illegaler Regenwaldrodungen in Brasilien. Forscher: Dollar-Kurs steuert Abholzung

Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro *

Viele Teile Amazoniens stehen wieder in Flammen. Während der ersten beiden Monate des Jahres registrierten die Überwachungssatelliten fast 7.000 Feuer in Brasilien. So viele Brandherde gab es in diesem Vergleichszeitraum seit 1999 nicht mehr, warnte im April das brasilianische Weltraumforschungsinstitut INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais), das die Aufnahmen regelmäßig auswertet. Die meisten Brände wurden in den Amazonas-Staaten Mato Grosso (1.502), Pará (833) und Roraima (748) registriert. Die Zunahme dieser meist von Menschenhand gelegten Feuer steht mit dem drastischen Anstieg der Regenwaldrodungen in direktem Zusammenhang. Zwischen August 2014 und März 2015 verlor Amazonien 1.761 Quadratkilometer Regenwald, 214 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, so die jüngsten Zahlen des Instituts IMAZON (Instituto do Homem e Meio Ambiente da Amazônia).

Hauptverantwortlich für die erneute Zunahme der Entwaldungen sei der hohe Kurs des US-Dollar, sagt der renommierte Forscher Philip Fearnside vom Amazonas-Forschungsinstitut INPA (Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia) in Manaus. Für einen Dollar gibt es derzeit mehr als drei brasilianische Reais.

Ein hoher Kurs der US-Währung mache den industriellen Anbau von Soja sowie die exportorientierte Rinderzucht in der Region lukrativer, erläutert Fearnside in einem im April veröffentlichten Interview mit dem brasilianischen Nachrichtenmagazin Época. Soja und Fleisch werden auf Dollarbasis gehandelt, während die Löhne in Real ausgezahlt werden. Damit erhöhe sich die Gewinnspanne der Soja- und Fleischexporteure, was sowohl neue Investoren in die Region locke als auch Anreize für Großgrundbesitzer and Agrobusiness setze, ihre bestehenden Anbau- und Weideflächen auszuweiten. Verstärkte Abholzungen seien die logische Folge.

Fearnside im Magazinbeitrag: »2002, als der Dollar fast (einen Kurs von) vier Reais erreichte, gab es im Folgejahr ein Hoch bei den Exportpreisen für Soja und Rindfleisch, gefolgt von einer der größten Abholzungsraten Amazoniens.« 2004 fielen 27.772 Quadratkilometer Regenwald im Amazonasgebiet dem Dollar-Hoch zum Opfer.

Umgekehrt basierten die verringerten Abholzungsraten in den vergangenen rund zehn Jahren im wesentlichen auf dem während dieser Zeit relativ schwachen Wechselkurs des »Greenback« gegenüber dem Real, der zwischen 1,5 und zwei Reais je Dollar schwankte. Seit 2012 befindet sich die US-Währung wieder in einer Phase der Aufwertung, und folgerichtig nahm ab 2013 auch die Entwaldungsrate wieder zu. »2013 war es nur ein kleiner Anstieg«, so Fearnside weiter, »aber jetzt in den vergangenen sechs Monaten gab es eine Explosion.«

Ein anderer Grund für die nun wieder verstärkt stattfindenden illegalen Rodungen sei das veränderte Waldgesetz Brasiliens, das einem großen Teil der Kriminellen Amnestie gewähre. Außerdem plane die Regierung trotz knapper Haushaltskasse weiterhin neue Straßen in Amazonien. Dabei sei längst belegt, dass Straßenbau zu illegalen Rodungen führt.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 7. Mai 2015


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