Wasserkraft gar nicht so sauber
Brasiliens Regenwaldschützer wollen Rio Xingu vor Staudamm retten
Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro *
Das geplante Wasserkraftprojekt Belo Monte in Südostamazonien wird
Tausende von Menschen um ihre Existenz bringen, Fischressourcen
vernichten und mindestens 440 Quadratkilometer Regen- und
Uferwaldgebiete unter Wasser setzen. Und das alles, um Strom für die
Produktion von Aluminium zu liefern.
Um ihre Lebensader, den Rio Xingu, vor dem Staudammprojekt zu retten,
demonstrierten im brasilianischen Altamira wiederholt Indianer,
Flussanwohner sowie einheimische Umweltschutzgruppen und
Bürgerinitiativen gegen das Projekt. Nun haben auch internationale
Umweltschutzorganisationen wie »International Rivers« und »Rettet den
Regenwald« zu Protestschreiben an die Regierung Lula da Silva aufgerufen.
Bereits Ende der 1980er Jahre wollte die damalige Regierung den Rio
Xingu aufstauen. Vor allem dank des Einsatzes des Ethnologen Darrell
Addison Posey und der Anführer des Kayapó-Stammes Paulo Paiakan und
Kuben-I kam es im Februar 1989 zum Treffen der betroffenen
Indianervölker in der Amazonasstadt Altamira. Dieses Treffen führte zu
massiven internationalen Protesten und letztlich zu einem Stopp des
Staudammprojekts.
Nun hat die Regierung Lula da Silva angesichts rapide wachsender
Nachfrage nach Energie das alte Projekt wieder aus der Schublade
gezogen. Doch die betroffenen Indianervölker der Asurini, Araweté,
Parakanã, Juruna, Xipaya, die Kuruaya, Xikrin, Kararaô und Arara stellen
sich zusammen mit den Kayapó, den Ribeirinhos und Kleinbauern gegen das
Projekt, das ihre Heimat von Grund auf ändern würde. In ihrem - wie 1989
in Altamira zusammen mit brasilianischen Menschenrechts- und
Umweltschutzorganisationen - unterzeichneten Protestschreiben an die
Regierung heißt es deutlich: »Wir, die die Wälder und natürlichen
Reichtümer in unseren Territorien bewahren, fühlen uns in unserer Würde
verletzt und unsere fundamentalen Rechte unrespektiert durch die vom
brasilianischen Staat und Firmengruppen projektierten Staudämme am Rio
Xingu und seinen Zuflüssen. Wir wissen, dass die Aufstauung des Xingu
große Überschwemmungen oberhalb des Kraftwerks verursachen wird und
Tausende von Ribeirinho-Familien und Bewohner von Altamira verdrängen
wird, die Landwirtschaft schädigen, die nachhaltige Nutzung der
Biodiversität schädigen und unsere Strände verschwinden lassen wird.«
Die Unterzeichner des Schreibens »werden den Bau von Staudämmen am Xingu
und seinen Zuflüssen nicht erlauben, egal ob große oder kleine.« Für sie
ist Belo Monte Kernstück »eines sozial ungerechten und ökologisch
zerstörerischen Entwicklungsmodells«.
Entgegen der seit Jahren von der Regierung Lula verbreiteten Behauptung,
Wasserkraftwerke seien eine Energiequelle, die nicht zum Treibhauseffekt
beitrage, trifft das Gegenteil zu. Schon 2005 wies Philip Fearnside vom
brasilianischen Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (Inpa) nach,
dass die Stauseen vor allem in den Tropen durch Faulprozesse der unter
Wasser gesetzten Biomasse große Mengen Kohlendioxid und des noch
wirksameren Treibhausgases Methan produzieren. Die
Treibhausgasemissionen des Curuá-Uma-Staudamms in Pará etwa liegen drei
Mal so hoch wie die eines Dieselkraftwerks gleicher Leistung.
Nichtsdestoweniger hält die Regierung weiter an ihren umstrittenen
Wasserkraftplänen fest. Belo Monte ist nur einer von über einem Dutzend
geplanten oder in Bau befindlichen Staudämmen in Brasilien. Allein in
Amazonien sollen bis 2011 sieben große Wasserkraftprojekte mit insgesamt
27 000 Megawatt entstehen.
* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2008
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