Schleichende Ölpest
Umweltfolgen der Bohrinselkatastrophe vor Brasiliens Küste sind weiter unklar
Von Benjamin Beutler *
Die Schäden für Mensch und Natur
der Ölkatastrophe von Anfang November
rund 120 Kilometer vor der
brasilianischen Küstenmetropole Rio
de Janeiro werden wohl erst in Monaten
bekannt sein. Ende letzter Woche
hatte die Bundesstaatsanwaltschaft
eine Milliarden-Klage gegen den Betreiber
der Bohrplattform eingereicht.
»Die ausgetretenen Mengen verringern
sich«, versicherte zuletzt
der Umweltbeauftragte des US-Ölkonzerns
Chevron Luiz Alberto Pimenta.
Das Unternehmen hoffe »in
naher Zukunft eine totale Kontrolle
« des Lecks zu erreichen. Der genaue
Zeitpunkt aber ließe »sich
nicht präzisieren«, so Pimenta.
Chevron müsse »weiter evaluieren,
um exakt zu wissen, wie viel Öl an
die Oberfläche kommt«, räumte er
ein. Auch Brasiliens Erdölagentur
ANP, die von ausgelaufenen
365 000 Litern spricht, liefert wenig
Details. Aktuell überwacht ANP
»die Abdichtung des Bohrloches
mit Zement und die definitive Aufgabe
« des Bohrturmes vom Typ
SEDCO 706. Dabei handelt es sich
um das selbe Modell wie beim
Shell-Unfall im Golf von Mexiko im
April 2010.
Im Vorfeld der aktuellen Schadensersatzklage
hatte Carlos Minc,
Umweltminister des Bundesstaats
Rio de Janeiro, immer wieder erklärt,
mögliche Zahlungen würden
Chevron nicht von der Pflicht zur
Reinigung verpesteter Gebiete
entbinden. »Für die Biodiversität
ist jeder Austritt von Brennstoffen
schädlich«, betonte Minc. »Beim
Überflug habe ich nahe des Ölteppichs
Wale gesichtet«, so der Minister.
Auf allen TV-Kanälen des
Landes waren Mitte November die
Bilder des Ölteppichs und von austretenden
Öl-Blasen auf dem Meeresboden
gesendet worden. Es sei
nur eine Frage der Zeit, bis die
schwarzen Klumpen unter Wasser,
die von der Luft aus nicht zu sehen
sind, die beliebten Sandstrände an
Brasiliens Küste erreichen werden.
Über großflächige Verschmutzungen
wurde bis heute allerdings
nichts bekannt.
Nun sollen Studien Licht ins
Dunkle bringen. Brasiliens Staatsanwaltschaft
ist auf einen Vorschlag
der Fischervereinigung von
Rio de Janeiro (Feperj) zur Ausarbeitung
einer unabhängigen Schadens-
Bilanz eingegangen. Die
10 000 Mitglieder starke Feperj
geht davon aus, dass eine große
Zahl von Fischen und Krustentieren
durch das ausgeströmte Erdöl
verendet sei. Deshalb werde eine
eigene Schadensersatzklage gegen
Chevron eingereicht. Zudem seien
Konsumenten vom Kauf regionaler
Produkte abgeschreckt, der
Imageschaden hoch, so Feperj-
Anwalt Leonardo Amarante. Der
die Staatsanwaltschaft beratende
Ozeanologe David Zee warnt nicht
nur vor verschmutzten Stränden.
Toxische Substanzen würden die
marine Nahrungskette »ernsthaft«
schädigen. Nicht nur Amarante
verspricht sich von der anstehenden
»Messung der von der Ölpest
verursachten Schäden« Aufklärung.
* Aus: neues deutschland, 19. Dezember 2011
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