Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ministerkarussell

Brasilianischer Verteidigungsminister tritt nach kritisierten Äußerungen zurück

Von Andreas Knobloch *

Das Stühlerücken in Brasiliens Regierung geht weiter. Ende vergangener Woche reichte Verteidigungsminister Nelson Jobim seinen Rücktritt ein und kam damit seiner Entlassung zuvor. Ihm waren polemische Kommentare zu anderen Kabinettsmitgliedern zum Verhängnis geworden. Sein Nachfolger wird Celso Amorim werden, Außenminister unter dem ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Jobim ist bereits der dritte Ressortleiter in der erst siebenmonatigen Amtszeit von Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff, der seinen Posten verliert. Zuvor waren Kabinettschef Antonio Palocci und Transportminister Alfredo Nascimento wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten. Alle drei gehörten auch schon der Regierung unter Lula an und waren nach dessen Ersuchen ins neue Kabinett aufgenommen worden.

Am Donnerstag abend war Jobim vorzeitig von einer Dienstreise aus dem Amazonasgebiet an der Grenze zu Kolumbien zurückgekehrt, um persönlich seinen Abgang zu verkünden. Anderenfalls wäre er wohl gefeuert worden. Im Gegensatz zu den beiden anderen Fällen erfolgt seine Demission nicht wegen Korruption. Im Gegenteil: Der Exminister gilt als kompetenter Politiker mit guter Reputation. Bevor er an die Spitze des Verteidigungsressorts wechselte, war der persönliche Freund Lulas Präsident des Obersten Gerichts gewesen.

Allerdings machte er sich zuletzt durch eine Reihe von irritierenden öffentlichen Aussagen untragbar. Unter anderem erklärte er, daß der Kandidat der Opposition, der Sozialdemokrat José Serra, und nicht Rousseff sein Favorit bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen gewesen sei. Damals hatte Lula ihn noch verteidigt. Doch Jobim goß mit Lobreden auf den früheren Präsidenten Fernando Enrique Cardoso neues Öl ins Feuer. Er attestierte dem Gegenspieler Lulas einen eleganten Politikstil. Cardoso habe regiert, »ohne mit der Faust auf den Tisch zu hauen«. Dies wurde als Kritik an der zupackenden Art der Präsidentin und an ihrem Umgang mit den Ministern interpretiert. Das Faß zum Überlaufen aber brachten Äußerungen in der Zeitschrift Piauí, in denen er zwei der wichtigsten Ministerinnen, die von Rousseff persönlich ausgewählt worden waren, heftig kritisierte. Kabinettschefin Gleisi Hoffmann, die Antonio Palocci auf dem Posten nachgefolgt war, würde »noch nicht einmal Brasilia«, die Hauptstadt des Landes, kennen. Die Ministerin für Institutionelle Beziehungen, Ideli Salvatti, bezeichnete Jobim als »schwach«, ihr fehle es an politischem Gewicht.

In einer Stellungsnahme sagte Jobim, seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben worden. Er sei das Opfer einer Intrige. Doch selbst Lula ging mittlerweile auf Distanz. Dabei hätte Rousseff Jobim gerne als Verteidigungsminister behalten, da er auf diesem Posten gute Arbeit leistete. Beobachter bescheinigten ihm als erstem auf diesem Posten seit der Militärdiktatur sehr gute Beziehungen zur Armeespitze. Zudem hat Rousseff genug mit den Korruptionsfällen in ihrer Regierung zu tun. Kurz nach Jobims Rückzug trat am Samstag der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Milton Ortolan, wegen Bestechungsvorwürfen zurück.

Jobims Nachfolger Celso Amorim, einer der starken Männer der Regierung Lula, gilt als Vertreter des linken Flügels der regierenden Arbeiterpartei PT. In der Armee gibt es Vorbehalte gegen ihn. Einigen Generälen gilt er gar als »schlechtmöglichste Auswahl«. Keine einfachen Vorraussetzungen für den neuen Posten.

* Aus: junge Welt, 8. August 2011


Zurück zur Brasilien-Seite

Zurück zur Homepage