Es geht um indigenes Land
Padre Edilberto Sena über die Gier nach Amazoniens Reichtümern *
Padre Edilberto Sena wurde 1972 zum Priester geweiht und versteht sich als Befreiungstheologe. Gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts hat er die Widerstandsbewegung Movimento Tapajós Vivo gegründet und setzt sich gegen Sojakonzerne, Staudammprojekte und Bergbaulizenzen ein. Mit seiner wöchentlichen Sendung im Rádio Rural de Santarém erreicht er eine Hörerschaft von 50 000 Personen. Der 71-Jährige hielt sich jüngst auf Einladung der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW) zu Veranstaltungen in Berlin auf. Mit ihm sprach für »nd« Christian Russau.
Die brasilianische Regierung erarbeitet derzeit ein neues Rahmengesetz für Bergbau. Was würde dies beispielsweise für die Tapajós-Region, in der Sie leben, bedeuten?
Dies wäre eine Katastrophe. Nicht nur für die Tapajós-Region, sondern für den ganzen Westen im Bundesstaat Pará. Diese Region ist das Herzstück für den Mineralbergbau. Dort gibt es Bauxit, Gold, Mangan, Kalk, Phosphat, in der Nähe gibt es zudem Uran, Blei. Und die Regierung verfolgt mit dem neuen Bergbaurahmengesetz mehrere Ziele. Zum einen soll Brasilien die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt werden und nach dieser Logik muss man exportieren. Bodenschätze sind in der Exportbilanz Brasiliens Filetstücke. Zudem ist die Koalitionsregierung der Präsidentin Dilma Rousseff aus Gründen des Machterhalts auf breite Allianzen angewiesen. Da kommt es zu Koalitionen mit den übelsten Kräften des ganzen Landes: den mächtigen Großgrundbesitzern. Die wollen Land. Und die Bergbaukonzerne üben mächtigen Druck aus, die ganzen Bergbauanträge endlich zu bewilligen und die Förderlizenzen zu erteilen. Im Blick haben die – genauso wie die Farmer, aber aus anderen Motiven – letztlich vor allem die indigenen Territorien. Dort liegt der Kern des neuen Bergbaugesetzes. Und die Regierung willigt ein. Die Konsequenzen werden weitaus schlimmer sein, als alles, was wir bisher erlebten. Das wird das Einfallstor in die indigenen Territorien.
Die Umweltorganisation ISA hat errechnet, dass derzeit 4220 Bergbaukonzessionsvorhaben allein für indigenes Territorium auf die Bewilligung warten, davon betroffen wären 152 indigene Territorien. Was werden die Indigenen davon haben?
Sie werden ihnen das geben, was sie schon vor 500 Jahren bekamen. Die Portugiesen gaben ihnen Glasperlen. Heute ist es im Prinzip nicht anders. Sie versprechen ihnen einen Anteil, aber der wird ein Tropfen dessen sein, was die Konzerne da abschöpfen. Nehmen wir den Fall der kanadischen Bergbaufirma Belo Sun Mining Corporation. Unlängst hat ein Bundesrichter die Umweltgenehmigung für das »Belo Sun«-Gold-Projekt am Xingu-Fluss in direkter Nachbarschaft zum Belo Monte-Staudamm vorerst gestoppt. In den nächsten zehn Jahren will Belo Sun dort 50 Tonnen Gold rausholen. Die Regierung lässt da den Staudamm Belo Monte bauen, die große Flussbiegung der Volta Grande zu 80 Prozent trockenlegen und dann kommen sie da leichter an noch mehr Gold ran. Und zum Trennen des Goldes nutzen sie Zyanid – höchst giftig.
Was ist die Entscheidung des Bundesrichters wert, die Umweltgenehmigung zu stoppen?
Wir wissen, was da alles hinter den Türen abläuft. Allein im Falle Belo Monte sind 20 Klagen der Bundesstaatsanwaltschaft gegen die Zulässigkeit des Projektes anhängig – und die schmoren in einer Schublade bei den zuständigen Gerichtshöfen.
Neue Rahmengesetze für Bergbau, für Wald und nun soll auch noch der Indigenenbehörde FUNAI die Kompetenz über die Demarkation indigenen Territoriums entzogen werden. Was steckt dahinter?
Es geht ums Land. Noch obliegt die Entscheidung über die Demarkation direkt der Präsidentin und die FUNAI bereitet den ganzen Entscheidungsprozess vor und lässt die Studien erstellen. Aber künftig soll der Kongress beteiligt werden, ebenso wie die staatliche Agrarforschungsinstitution EMBRAPA und die beiden für Landwirtschaftsfragen zuständigen Ministerien. All dies, um die Rechte der Indigenen auszuhöhlen.
Ihre Region am Tapajós steht seit geraumer Zeit im Fokus der Regierung in Brasília ...
Ja. Allein am Tapajós-Fluss plant die Regierung den Bau von sieben Wasserkraftwerken. An den beiden Zuflüssen, die sich zum Tapajós vereinen, sind weitere elf Staudämme geplant: acht am Juruena und drei am Teles Pires. Dort wird bereits gebaut. Zusammen sind das 18 Wasserkraftwerke. Im Tapajós-Gebiet sollen 10 000 Hektar des Nationalparks geflutet werden. Ein Irrsinn, den Dilma Rousseff mit einem Kugelschreiber löste: Die Verfassung schreibt vor, dass jeder Nationalpark unantastbar ist, aber sie hat ein Dekret unterzeichnet, das den Nationalpark um genau das zu flutende Gebiet verkleinert. Und so löst man das: mit einem Kugelschreiber.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 10. Dezember 2013
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