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Auf dem Weg zum "Global Player"

Maßnahmenpaket der Lula-Regierung soll Brasiliens Wirtschaft für die Zukunft stärken

Von Andreas Knobloch *

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kündigte Anfang der Woche die Ausweitung einer durch seine Regierung aufgelegten Kreditlinie auf die restlichen Staaten Lateinamerikas an. Sie soll Unternehmen in die Lage versetzen, brasilianische Waren und Produkte zu kaufen.

»Wir werden diese Linie auf Südamerika, Lateinamerika und Afrika ausdehnen. Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien auf dem Weltmarkt erhöht«, so Lula in seinem wöchentlichen Radioprogramm »Frühstück mit dem Präsidenten«. Brasilien tritt seit Jahren für eine Öffnung von Märkten und den Abbau von Zollbeschränkungen ein. Gleichzeitig stößt der Absatz brasilianischer Produkte oft durch fehlende oder eingeschränkte Liquidität potenzieller Wirtschaftspartner an Grenzen. Dem soll mit der verstärkten Kreditvergabe begegnet werden. Gleichzeitig ist dies ein weiterer Schritt, den kommerziellen und wirtschaftlichen Einfluss Brasiliens - vor allem in Südamerika - weiter auszubauen. Zudem soll der wachsende wirtschaftliche Einfluss Chinas zurückgedrängt werden, das in den letzten Jahren massiv auf die südamerikanischen und afrikanischen Märkte vorstößt.

Die vergangene Woche aufgelegte Kreditlinie wird von der staatlichen Nationalbank für Wirtschaftliche und Soziale Entwicklung (BNDES) angeboten werden. Sie soll Kaufanreize schaffen für brasilianisches Kapitalvermögen wie Maschinen, Anlagen, Lkw oder Busse. Neben der Exportwirtschaft wird damit auch die Geschäftstätigkeit der BNDES angekurbelt. Die Entwicklungsbank nimmt in Brasiliens Außenhandelsstrategie eine bedeutende Rolle ein. Sie ist zu einem wichtigen Kreditgeber für lateinamerikanische Länder geworden, die brasilianische Produkte oder Dienstleistungen erwerben. So finanziert die BNDES Infrastrukturprojekte brasilianischer Unternehmen im Ausland, wie den Bau der Metro in Venezuelas Hauptstadt Caracas, die Errichtung eines Wasserkraftwerkes in Ecuador oder den angekündigten Verkauf brasilianischer Flugzeuge nach Argentinien.

Zu den Maßnahmen gehört die Bereitstellung von zusätzlich 80 Milliarden Real (rund 31,4 Milliarden Euro) zur Kreditvergabe durch die BNDES, nachdem 2009 bereits 100 Milliarden Real an die Bank geflossen waren. »Mit den im vergangenen Jahr verabschiedeten Maßnahmen haben wir versucht, den Konsum zu stärken. Mit den jetzigen Maßnahmen wollen wir, abgesehen von der Stärkung des Konsums, Investitionen fördern, damit Unternehmen neue Investitionen tätigen können und zu neuen Vertragsabschlüssen kommen«, so Lula.

Die Kreditlinie ist Teil eines Maßnahmenkatalogs der Regierung, mit dem die Wirtschaft gestärkt werden soll, nachdem kürzlich offiziell die Überwindung der globalen Krise verkündet worden war. Lula verbreitete im Radio denn auch Optimismus. Brasilien werde ein »außergewöhnliches« Jahr 2010 erleben, die Wirtschaft »kräftig« und »nachhaltig« wachsen. Im Vertrauen auf ein starkes Wachstum habe seine Regierung zudem Kredite zur Finanzierung der Schiffsindustrie bewilligt sowie Steuererleichterungen für den Bau von Raffinerien und petrochemischen Anlagen.

Die Schaffung von über einer Million Arbeitsplätzen 2009 und ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von fünf Prozent für 2010 deuten darauf, dass Brasilien, das als einer der letzten Staaten von der globalen Krise getroffen wurde und diese als einer der ersten überwunden zu haben scheint, einer wirtschaftlich soliden Zukunft entgegenschaut. Während das Land also zunehmend zu einem der großen »Global Player« wird, wird es darauf ankommen, dass das Wachstum auch der breiten Bevölkerung nachhaltig zugute kommt und nicht nur, wie in der bisherigen Amtszeit Lulas, als von oben initiierte Sozialprogramme als reine Umverteilung von den politischen Machtverhältnissen abhängig bleibt, ohne die gesellschaftlichen Besitzverhältnisse wirklich anzugreifen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Dezember 2009


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