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Nachhaltige Zerstörung

Im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso propagieren Großfarmer politisch korrektes Gensoja. Die Zerstörung der Landschaft geht ungebremst weiter

Von Norbert Suchanek *

Die Sojaproduzenten im brasilianischen Mato Grosso gehen auf Distanz zur Gentechnik. Dies jedenfalls berichtete die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich in einem Beitrag. Immer mehr Farmer würden sich demzufolge gegen den Anbau der manipulierten Pflanzen entscheiden, so die Botschaft. Der Artikel vom 13. März stützt sich auf die Meinung von Jeferson Bif, eines für die Verhältnisse des besagten Bundesstaates eher unbedeutenden Produzenten mit lediglich 1800 Hektar Anbaufläche. Nach dessen Aussagen seien die Leistungen beim Anbau von Gensoja weder konstant noch erzielten sie so hohe Erträge wie die konventionellen Sorten. Immer mehr Pflanzer würden deshalb auf konventionelles Saatgut umstellen.

Auch wenn diese Auffassung Bifs zur Leistungsfähigkeit des Gensojas von zahlreichen Landwirten, Fachleuten oder Umweltschützern geteilt wird, ist wohl in Mato Grosso demnächst nicht mit der Beerdigung der Gentechnick zu rechnen.

Noch im Jahr 2003 hatte Blairo Maggi, in Personalunion Gouverneur des zentralbrasilianischen Bundesstaates und weltgrößter Sojaproduzent mit über 200000 Hektar Anbaufläche, transgene Sorten verboten. Doch der Politiker/Großunternehmer mutierte schon im Jahr darauf zum glühenden Befürworter genetisch manipulierten Sojas. Heute wachsen transgene Sorten des wichtigsten pflanzlichen Eiweißträgers auf 44 Prozent der fast sechs Millionen Hektar großen Gesamtanbaufläche in Mato Grosso. Noch deutlicher wird die Dominanz des Gensoja beim Blick auf den südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul. Dort besteht bereits 80 Prozent der Ernte aus genetisch manipulierten Pflanzen.

In Mato Grosso gebe es bei den Farmern definitiv noch eine Zurückhaltung gegenüber dem Anbau transgener Sojasorten, kommentierte Marcelo Duarte Monteiro, Direktor der Vereinigung der Soja- und Maisproduzenten (Aprosoja) den Reuters-Artikel im Internetmedium Circuito Mato Grosso. Das liege vor allem daran, daß mit konventionellen Sorten derzeit noch bessere Ergebnisse erzielt würden. Doch habe es in dem Staat gegenüber der Saison 2007/2008 tatsächlich keinen Rückgang des Anbaus von Gensoja gegeben. »Der Prozeß der Annahme dieser Technik geht weiter, es gibt kein zurück«, so Monteiro.

Erst im vergangenen Jahr lancierte Maggis Firma Amaggi als größter Sojaexporteur des Bundesstaates ein Pilotprojekt, um das genetisch manipulierte Soja aus Mato Grosso in Europa hoffähig zu machen. Unter dem Namen »Nachhaltiges Gensoja« (Soja transgênica sustentável) hat das zur Familie des Gouverneurs gehörende Unternehmen soziale und Umweltschutzkriterien für diesen »nachhaltigen« Anbau entwickelt, um gentechnisch kritischen Europäern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Laut Firmenangaben nähmen bereits die 300 größten der 800 Zulieferer Amaggis am Programm teil und hielten die Kriterien, wie den korrekten Einsatz von Pestiziden und das Verbot von Kinder- und Sklavenarbeit, ein.

Der Streit pro oder kontra Gentechnik verdeckt jedoch oft ein noch größeres Problem – die nahezu ungebremste Ausweitung der quasi in Monokultur angebauten Nutzpflanze, die auch als Bioenergierohstoff dient. Tropenwaldabholzungen sind weiter an der Tagesordnung. Ebenso die Vertreibung von Ureinwohnern, die Verdrängung von Kleinbauern und traditionellen Bevölkerungsgruppen vor allem in Zentral-, Nord- und Nordostbrasilien. Das dort gelegene, extrem artenreiche Trockenwaldgebiet namens Cerrado, leidet stark unter der Sojaexpansion, die in Mata Grosso mit der Ankunft der Familie Maggi Ende der 1970er Jahre während der Militärdiktatur einsetzte.

Exakte Zahlen darüber, wieviel des einst rund zwei Millionen Quadratkilometer großen Cerrado bereits abgeholzt wurde, gibt es aufgrund mangelnder Forschung nicht. Die Schätzungen reichen von 40 bis 80 Prozent. Jüngste Auswertungen von Satellitendaten gehen davon aus, daß allein bis 2002 rund 800000 Quadratkilometer vernichtet wurden, so die Berechnungen des Wissenschaftlers Manuel Eduardo Ferreira von der katholischen Universität Goiás. Die Aufnahmen zeigten auch, daß die Abholzung weiter voranschreitet und zwar Richtung Nord- und Nordostbrasilien. Aufgrund der Ausbreitung von Sojaplantagen werde künftig vor allem der Cerrado der Bundesstaaten Bahia, Piauí und Maranhão in Mitleidenschaft gezogen. Bis 2050 werde Brasilien weitere 160000 Quadratkilometer Cerrado verlieren, schätzt Ferreira. Nach Schätzungen der Wissenschaftler beherbergt dieses Ökosystem ein Drittel der Artenvielfalt Brasiliens und fünf Prozent des Artenreichtums weltweit.

Daß diese Vernichtung von Biodiversität aus Vernunftgründen ein baldiges Ende findet, ist derzeit kaum zu erwarten. Schon gar nicht in Mato Grosso. Denn nach Meinung von Gouverneur Maggi könne man einfach keine Landwirtschaft oder Viehzucht ohne Abholzung betreiben. »Dies ist die große Wahrheit«, so der Oligarch.

* Aus: junge Welt, 27. März 2009


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