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EU kritisiert brasilianische Zölle

WTO soll im Streit um Autoimporte vermitteln *

Die EU wirft Brasilien die Errichtung von Handelsbarrieren vor und schaltet die Welthandelsorganisation WTO ein. Das teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Die Behörde ist unter anderem verärgert über Steuerregelungen, die aus ihrer Sicht brasilianische Autobauer bevorzugt. Brasiliens Außenminister Luiz Alberto Figueiredo sah dagegen keinen Verstoß gegen vereinbarte internationale Handelsregeln.

Autohersteller aus Europa müssen in Brasilien deftige Importsteuern zahlen, wenn sie nicht im Land selbst produzieren. Das ist ein Grund, weshalb Mercedes-Benz, BMW und auch Audi in Brasilien künftig wieder lokal Pkw für den viertgrößten Automarkt der Welt bauen. VW ist schon lange da. Durch die lokale Produktion können aufgrund eines Programms für die Autobranche bis zu 30 Prozent Steuernachlässe erwirkt werden.

Die Regelung hatte Brasilien schon öfter den Vorwurf des Protektionismus eingebracht. Brüssel sieht die europäische Hersteller wegen der ungleichen Steuersituation im Nachteil. »Die EU hat dieses Thema in bilateralen Gesprächen mit Brasilien und den WTO-Organen angesprochen, bis heute sind jedoch keine Fortschritte zu verzeichnen«, beklagte die EU-Kommission. Die WTO wird vom Brasilianer Roberto Azevêdo als Generaldirektor geführt.

Auf Bitte der EU soll die WTO nun in dem Handelsstreit Konsultationen mit beiden Beteiligten einleiten. Brüssel erhofft sich davon eine Lösung in einem frühen Stadium des Vermittlungsprozesses. Figueiredo betonte: »Wir analysieren den Fall, sind aber sicher, dass die von der EU in Frage gestellten (Steueranreiz-)Programme konform sind, und wir werden das im Rahmen der (WTO)-Organisation zeigen.«

Für Brasilien ist die EU laut EU-Kommission mit einem Anteil von 20,8 Prozent der wichtigste Handelspartner. Europa habe seinerseits 2012 Waren oder Dienstleistungen im Wert von 39 Milliarden Euro in das Land ausgeführt.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 21. Dezember 2013


Europäische Glashäuser

Simon Poelchau über den Handelsstreit zwischen der EU und Brasilien **

Europa ist sauer – diesmal auf Brasilien. Und die Welthandelsorganisation (WTO) soll es richten. Denn die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas erdreistet sich, Importzölle auf europäische Autos zu erheben.

»Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen«, könnte man der Europäischen Union da sagen. Erwähnt sei nur die Eurobanane, mit der die EU die Einfuhr dieser gelben Früchte seit nunmehr fast 20 Jahren erschwert. Und noch immer erhebt sie Einfuhrzölle auf Bananen, die in Europa in keinem nennenswerten Umfang angebaut werden. Auch muss man es nicht bei Südfrüchten belassen: Erst Anfang Dezember setzte die EU Schutzzölle auf Solarmodule aus China in Kraft, die zwei Jahre lang gelten sollen. Die Liste der protektionistischen Maßnahmen in Europa ist also lang.

Doch sind Handelsschranken immer schlimm? Dies kann man nur mit »Ja« beantworten, wenn man einen alles umfassenden, schrankenlosen, freien Weltmarkt zum Ziel hat. Der hat allerdings seinen Preis: nämlich, dass Staaten aktiv Wirtschaftspolitik betreiben können. Und dazu gehören neben Verordnungen und Regeln eben auch Importzölle. So richten sich etwa Brasiliens Schutzzölle nicht gegen VW, Mercedes und BMW an sich. Sie werden nicht erhoben, wenn die Hersteller im Land produzieren lassen. Dadurch bleibt ein Teil der Wertschöpfung in Brasilien, doch fehlt sie dann in der EU. Q.e.d.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 21. Dezember 2013 (Kommentar)


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