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Druck auf die Medien wächst

In Bosnien-Herzegowina werden Journalisten in ihrer Arbeit zunehmend eingeschränkt

Von Roland Zschächner *

Viele bosnische Journalisten sind in den vergangenen Tagen aus Protest gegen Angriffe auf die Pressefreiheit auf die Straße gegangen. In Banja Luka fand am Montag eine erste Kundgebung statt – organisiert von der »Vereinigung der bosnischen Journalistinnen und Journalisten« (BHN) sowie der Unterstützungsinitiative »Linija za pomoć novinarima«. Rund 40 Kollegen folgten dem Aufruf. Am Dienstag gab es weitere Demonstrationen dieser Art in der Hauptstadt Sarajevo und anderen größeren Städten.

Auslöser der Proteste waren mehrere Vorfälle in den vergangenen Wochen, darunter eine Polizeirazzia in der Redaktion des Nachrichtenportals klix.ba Ende Dezember. »Die gesamte Medienlandschaft und die Bürger Bosnien-Herzegowinas sehen sich einer brutalen Bedrohung der Pressefreiheit und der Sicherheit von Journalisten gegenüber«, erklärte dazu Siniša Vukelić, Präsident des Journalisten-Klubs Banja Luka. Immer wieder kommt es zu Einschüchterungen und sogar zu körperlichen Angriffen auf Journalisten. So wurde ein Kamerateam des Senders BN TV Mitte Dezember 2014 bei Aufnahmen im Bezirk Brčko zuerst beleidigt und anschließend mit Schlägen traktiert.

Verantwortlich für die Einschränkungen der Pressefreiheit sind vor allem Regierungsbeamte und hochrangige Politiker, die die Recherchen unliebsamer Journalisten behindern wollen. Nach Gutdünken werden Akkreditierungen vergeben, Anfragen an Behörden bleiben oft unbeantwortet. Unlängst wurde bekannt, dass Reportern von BN TV der Einlass in das Präsidialamt in Banja Luka verwehrt wurde.

Insgesamt wurden seit 2006 mehr als 400 Fälle von Verstößen gegen die Pressefreiheit und die Rechte von Journalisten registriert. »Davon sind 22 Prozent nicht einmal untersucht worden. In 23,5 Prozent der Fälle haben Polizei und Justiz ohne jegliche Untersuchung die Ermittlungen wieder eingestellt«, erklärte Milkica Milojević, Präsidentin von BHN.

In Bosnien-Herzegowina wird der Medienmarkt von einheimischen Oligarchen und westlichen Verlagen kontrolliert. Zeitungen und Sender dienen als Sprachrohr der herrschenden Eliten und der ihnen angeschlossenen Parteien. Die ethnische Spaltung des Landes durch das »Abkommen von Dayton« verschärft die Situation zusätzlich. So wurde »eine Atmosphäre geschaffen, in der abweichende Meinungen nicht akzeptiert wird«, kritisierte Milojević.

Der Druck auf die wenigen Medien wächst, die weiterhin versuchen, unabhängig zu berichten. Zuletzt bekam das die in Sarajevo ansässige Nachrichtenseite klix.ba zu spüren. Das Portal hatte in den vergangenen Wochen über einen Skandal im serbisch dominierten Teil des Landes informiert. Tonaufnahmen belegen, wie die Ministerpräsidentin der Republika Srpska bekannte, oppositionelle Abgeordnete gekauft zu haben. Klix.ba hatte die Mitschnitte in das Internet gestellt und so den Druck auf die Politikerin erhöht. Am vergangenen Montag reagierten die Repressionsorgane: Auf Anweisungen des Innenministeriums durchsuchten Polizisten die Redaktionsräume von klix.ba nach den kom­pro­mit­tie­renden Aufnahmen. Computer wurden beschlagnahmt, Mitarbeiter zur Befragung abgeführt. Am Dienstag entschied ein Gericht in Sarajevo, dass die Razzia unrechtmäßig war und die konfiszierten Gegenstände zurückgegeben werden müssen.

Meist bleiben aber die Angreifer unbekannt, allzu sind es angeheuerte Schläger oder Helfer der Geheimdienste. So wurden am 2. Januar die Chefredakteurin des Internetportals tačno.net, Štefica Galić, und einer ihrer Redakteure bedrängt. Die beiden hatten immer wieder kritisch über die Politik in Bosnien berichtetet – nach einem Kinobesuch wurden sie beleidigt und mit Schlägen bedroht. Einer der Täter soll laut Informationen von BHN ein namentlich bekannter Geheimdienstmitarbeiter gewesen sein. Galić war 2012 nach einem gewalttätigen Überfall nach Mostar umgezogen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 8. Januar 2015


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