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Sieg mit Bauchschmerzen

Bolivien: Regierungspartei MAS gewinnt Regionalwahlen, verliert aber in Hochburgen

Von Benjamin Beutler *

Nach den Regional- und Kommunalwahlen am Wochenende hat Boliviens Präsident Evo Morales vor einer falschen Bewertung der Abstimmungsergebnisse gewarnt. Die regierende »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) habe sich trotz Niederlagen in ihren Hochburgen El Alto und La Paz erneut als »die stärkste Partei in der Geschichte« der Elf-Millionen-Einwohnernation behauptet, kommentierte der Staats- und Parteichef auf einer ersten Pressekonferenz am Montag den Ausgang der landesweiten Abstimmung.

Über sechs Millionen Bolivianer waren am Wochenende zur Neuwahl von 4.975 Volksvertretern aufgerufen. In den neun Departamentos wurden neben den Präfekten die Mitglieder der Regionalparlamente gewählt. In 339 Kommunen ging es um Bürgermeisterämter sowie die Besetzung der Kommunalparlamente. Ersten nichtamtlichen Umfragen zufolge verlor die MAS die Rathäuser in acht Großstädten. Auch die Präfektur von La Paz, dem bevölkerungsreichsten Departamento, ging erstmals an die Opposition. »Die MAS hat heute in allen Rathäusern Stadträte, 2010 waren wir in einigen Kommunen nicht vertreten«, versuchte Morales, der bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2014 noch mit über 60 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden war, dem durchwachsenen Resultat etwas Gutes abzugewinnen. Die Opposition, links wie rechts, würde zwar mindestens 50 von 339 Rathäusern kontrollieren, doch »erste politische Kraft« bleibe seine seit 2006 regierende MAS.

Medien im In- und Ausland hatten die ersten Resultate als »Niederlage« und »Katastrophe« interpretiert, der Chef der Mitte-Rechts-Partei »Unidad Nacional« (UN), der Zement-Multimillionär Doria Medina, rief gar den »Beginn einer neuen Etappe in der politischen Geschichte unseres Landes« aus. »Das ist falsch, wir haben hinzugewonnen, wir haben uns verbessert, meine einzigen Sorgen sind das Departamento La Paz und die Stadt Cochabamba«, widersprach Morales. Das offizielle Wahlergebnis wird in einer Woche erwartet.

Der Verlust der Präfektur im wichtigen Regierungssitz-Departamento La Paz ist in der Tat ein herber Rückschlag, den Beobachter auf eine falsche Auswahl der MAS-Kandidaten zurückführen. So hatte bei den letzten Regionalwahlen der MAS-Kandidat César Cocarico das Rennen noch mit 50 Prozent der Stimmen für sich entschieden. Dieses Mal büßte die Partei mit der Kandidatin Felipa Huanca mehr als 20 Prozent ein, das Rennen machte der ehemalige MAS-Bildungsminister Félix Patzi, für den 52 Prozent der Wähler stimmten. Für den 48jährigen und seine Mitte-Linkspartei Soberanía y Libertad ist das ein Riesenerfolg, nachdem der Universitätsdozent beim ersten Anlauf vor fünf Jahren wegen Trunkenheit am Steuer aus der Regierungspartei gedrängt und durch Cocarico ersetzt worden war.

In Umfragen angekündigt hatte sich auch die Wahl der UN-Kandidatin Soledad Chapetón, die mit gut 55 Prozent der Stimmen ins Rathaus von El Alto einzieht und die von Korruptionsskandalen erschütterte Administration des MAS-Amtsinhabers Edgar Patana ablöst. Auch das Rathaus in Cochabamba ging verloren. Auf Departamento-Ebene bleibt die MAS-Hegemonie derweil fast ungebrochen. In den Hochburgen Cochabamba (60,3 Prozent), Oruro (54,5 Prozent), Potosí (56 Prozent) und Pando (65,6 Prozent) konnten die Sozialisten ihre Vormachtstellung mühelos verteidigen. Im Amazonastiefland-Departamento Santa Cruz gab es keine Überraschungen, der konservative Präfekt und Morales-Widersacher Ruben Costas (59,3 Prozent) von den »Demokraten« wurde im Amt bestätigt. Im erdgasreichen Tarija siegte mit Adrián Oliva (46,4 Prozent) von der Unidad Departamental Autonomista (UDA) wie schon 2010 ein Kandidat des rechten Lagers. In Beni und Chuquisaca bleibt alles offen. Weil keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erzielte, wird es am 3. Mai zur Stichwahl kommen. In der von Viehzucht geprägten Region wird erstmals ein Sieg der MAS erwartet, womit das linke Regierungslager erneut in sechs von neun Departamentos das Sagen hätte.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. April 2015


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