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Test für die Demokratie

Regional- und Kommunalwahlen am Sonntag in Bolivien

Von Benjamin Beutler *

»Stimmt für wen auch immer, aber geht zur Wahl«, rief Boliviens linker Präsident Evo Morales am Donnerstag die bolivianischen Wähler zur Beteiligung an den Regional- und Kommunalwahlen am morgigen Sonntag auf. Über sechs Millionen Bolivianer sind laut Oberstem Wahlgericht (TSE) zur Bestimmung von 4.975 Volksvertretern in das Register eingeschrieben. Am Palmsonntag werden in den neun Departamentos des Landes neben den Präfekten die Mitglieder der Parlamente gewählt. In 339 Kommunen geht es um Bürgermeisterämter sowie die Besetzung der Kommunalparlamente. »Wir sind das demokratischste Land der Welt«, erklärte darum der Ende 2014 im Amt bestätigte Staatschef von der regierenden »Bewegung zum Sozialismus« (MAS), Evo Morales, am Rande einer Konferenz in der Amazonas-Metropole Santa Cruz de la Sierra.

Wäre Wahlbeteiligung die Messlatte für Demokratie, wäre die Einschätzung des beliebtesten Präsidenten in der republikanischen Geschichte der Andennation nur schwer von der Hand zu weisen. Denn in Lateinamerika liegt Bolivien in diesem Punkt heute ganz vorn. An den ersten Wahlen nach dem Ende rechter Militärdiktaturen 1985 nahmen 83 Prozent der Stimmberechtigten teil. Zur Hochzeit der neoliberalen Phase in den 90er Jahren sank die Beteiligung auf rund 70 Prozent. Um dann mit der historischen Wahl des ersten sozialistischen indigenen Präsidenten Morales 2005 von 84 Prozent auf 95 Prozent bei den letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu klettern.

Allerdings herrscht in der Elfmillionen-Einwohnernation Wahlpflicht. »Wir sind zur Wahl gezwungen, sonst wird unser Alltag beeinträchtigt, etwa bei Bankgeschäften, dafür brauchen wir den Wahlnachweis«, erklärt der Soziologie Franco Gamboa. Bei Freiwilligkeit würden die Menschen bei Wahlen zu Hause bleiben, wie die geringe demokratische Beteiligung im Nachbarland Chile zeige. Doch würde sich bei einer unzufriedenen Bevölkerung laut Gamboa ein »verstärktes kritisches Bewusstsein und Opposition gegenüber den Parteieliten herausbilden«.

Für Debatten über den Zustand von Rechtsstaat und Demokratie hatte zuletzt eine Entscheidung des regionalen Wahlgerichts im Tiefland-Departamento Beni, einer Hochburg der rechten Opposition, gesorgt. Wegen der Veröffentlichung selbsterstellter Umfragen, ein klarer Verstoß gegen das geltende Wahlrecht, war der konservativen »Unidad Demócrata« (UD Beni) auf Antrag einer kleinen Regionalpartei die Rechtspersönlichkeit entzogen worden. 228 UD-Kandidaten bleiben von der Wahl ausgeschlossen. Ein angeblich vom MAS kontrolliertes Wahlgericht habe »erstmals in der ununterbrochenen Demokratie seit 1982 die Wahlen zu einer Posse gemacht«, twitterte Carlos Valverde, ein für seine Hasstiraden gegen die Linksregierung in La Paz bekannter TV-Moderator.

Dabei straft das Gericht bei Rechtsbruch nicht nur Anhänger der Opposition ab. »Es ist alarmierend, dass ganze 4.349 Kandidaten wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen von der Wahl ausgeschlossen werden mussten«, beklagte die Gerichtspräsidentin Wilma Velasco die mangelhafte Professionalität seitens der Bewerber.

Über einen ordnungsgemäßen Ablauf wachen wie bei vorherigen Wahlen Beobachterkommissionen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und Union Südamerikanischer Nationen (Unasur). Bei den letzten Regionalwahlen 2010 gewann die MAS sechs von neun Präfekturen und 228 Rathäuser (68 Prozent). In wichtigen Städten wie La Paz, Santa Cruz und Tarija konnten Lokalbündnisse aus dem rechten und linken Lager die nationale Vorherrschaft der Morales-Partei brechen. Was für eine hohe Reife der Wählerschaft spricht, die gut zwischen »großer Politik« und Vor-Ort-Belangen zu unterscheiden weiß.

* Aus: junge Welt, Samstag, 28. März 2015


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