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Früher Wahlkampf

2014 entscheidet Bolivien über seinen Präsidenten. Klima jetzt schon aufgeheizt

Von Benjamin Beutler *

Die Frage, die der CNN-Journalist Rafael Romo am 20. Mai an Boliviens Staatschef Evo Morales richtete: »Sind Sie ein autoritärer Präsident?« Morales, der in die USA gereist war, um in Atlanta mit Expräsident Jimmy Carter zusammenzutreffen, reagierte empört auf den Affront des süffisant lächelnden Fernsehmanns: »Wenn Sie mich autoritär nennen, sollten Sie vorher recherchieren!« Grinsend bohrte der Interviewer von CNN Español weiter: »Sich in der Macht verewigen zu wollen ist ein Symptom dafür, autoritär zu sein«, zitierte er Morales’ Parteifreundin Rebeca Delgado, die mit Kritik an die Öffentlichkeit getreten war. Daraufhin forderte der bolivianische Präsident, Romo möge »seine Wortwahl hüten«.

Unfreiwillig steht die CNN-Episode Pate für Boliviens neue Stabilität. Die Wirtschaft boomt, die Preise sind solide. Spürbar geht die Armut zurück. Die Regierung sitzt fest im Sattel, neue Formen der Demokratie werden mit Leben gefüllt. Weder inhaltlich noch personell hat das Oppositionslager Alternativen zu bieten. Über ein Jahr ist es noch hin, bis die Bolivianer einen neuen Präsidenten bestimmen. Der Wahlkampf aber ist bereits im vollen Gange.

Heftig diskutiert wird die erneute Kandidatur von Evo Morales und dessen Vize Álvaro García Linera. Die Verfassung von 2009 erlaubt nur eine direkte Wiederwahl, »vorherige Amtszeiten mitgerechnet«. Die zersplitterte Opposition rechts wie links der MAS sieht in der erneuten Kandidatur hingegen einen »Verfassungsbruch«. Morales’ Amtszeit ab 2009 sei nach dessen Erstmandat von 2006 die zweite Amtsperiode, eine dritte ab 2015 wäre ihrer Ansicht nach illegal. Demgegenüber hatten das Oberste Verfassungsgericht und beide Parlamentskammern grünes Licht für eine erneute Kandidatur bei den Wahlen im Dezember 2014 gegeben, weil dessen erste Amtszeit ab 2006 noch unter der alten Verfassung gefallen sei und deshalb nicht mitgezählt werden könne. Zudem war die Abstimmung 2009 wegen der »Neugründung Boliviens« durch die Verabschiedung der neuen Verfassung nötig geworden. Morales erste Regentschaft sei vorzeitig, ein Jahr vor Ende des regulären Fünf-Jahre-Mandats, beendet worden und könne auch darum nicht mitgerechnet werden.

Am vergangenen Montag erklärte Vizepräsident García Linera die Debatte für beendet: »Wenn die Rechten Demokraten sind, laßt uns an die Urnen gehen. Wenn nicht, und sie eine Verschwörung planen, dann werden wir sie besiegen, auch bei den Wahlen, denn das ist die Entscheidung der Mehrheit des Volkes.« Während des Auslandsaufenthalts von Evo Morales hatte der linke Intellektuelle die Amtsgeschäfte geleitet und damit keine leichte Aufgabe übernommen. Boliviens Gewerkschaftsdachverband COB hatte seit Anfang Mai den Aufstand geprobt. Mit Straßenblockaden, der Sprengung von Brücken und mit Protestmärschen wollten die Gewerkschafter eine Rentenreform durchsetzen, die Rentenzahlungen in Höhe von 100 Prozent des Jahresgehalts der letzten zwei Arbeitsjahre beinhaltete. La Paz lehnte das als »technisch nicht machbar« und »politisch motiviert« ab. Letzterer Vorwurf bezog sich darauf, daß die COB bei den Wahlen 2014 mit einer eigenen Partei antreten will. Zur Verteidigung von »Demokratie und dem Prozeß des Wandels« rief die MAS deshalb ihre Anhänger auf die Straße, und die kamen zu Zehntausenden. In der Nacht zum Mittwoch knickte die COB-Führung dann ein. Man werde auf den Regierungsvorschlag eingehen und eine 70-Prozent-Rente nach 30 statt nach 35 Arbeitsjahren akzeptieren. Auch einigte man sich auf die Änderung von 15 Punkten des Rentengesetzes. Diskutiert wird in den kommenden Wochen die mögliche Herabsetzung des Renteneintrittsalters auf 58 Jahre.

* Aus: junge Welt, Samstag, 25. Mai 2013


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