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Morales im Kreml

Rußland baut Beziehungen zu Lateinamerika weiter aus

Von Benjamin Beutler *

Als erster bolivianischer Präsident weilte Evo Morales am Wochenende auf Einladung des Kremls in Moskau. Dank Rußland, das »auf unserer Seite« sei, begännen sich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu verändern, sagte Morales. Dies gelte nicht nur für Bolivien, sondern für den gesamten Kontinent. »Wir sind bereit, unsere Beziehungen mit Lateinamerika aktiver zu entwickeln«, bestätigte der russische Staatspräsident Dmitri Medwedew seinen Amtskollegen. Dessen »historischer Besuch« zeige, daß »die Russische Föderation und Bolivien zur Entwicklung vollwertiger bilateraler Beziehungen bereit sind«, so der Putin-Nachfolger.

Für Morales hat sich das Frieren während des Staatsaktes auf dem verschneiten Roten Platz gelohnt. Mit Rußlands Staatsunternehmen Gasprom wurde ein Vertrag über 4,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen. Mit dieser Investition kommt der Energieriese für die dringend notwendige Entwicklung von Boliviens Gasindustrie auf. Das südamerikanische Land verfügt nach Venezuela über die zweitgrößten Gasvorkommen des Kontinents. Mit im Boot sitzt auch das französisch-belgische Unternehmen Total-Elf, das im Konsortium mit Gasprom vor allem im Süden Boliviens die Gasfelder Sunchar und Acero ausbeuten will. Es geht Morales, der 2006 per Dekret die gesamte Energiewirtschaft verstaatlichte, um mehr als den bloßen Gasexport aus dem historisch ausgebeuteten Land. So gilt auch an die Adresse Rußlands das Motto »Wir brauchen Partner - keine Chefs«. Gasprom verpflichtet sich zur Industrialisierung des Gases in Bolivien. Dazu soll der interne Markt - Autos, Küchenherde, Bau von Gaspipelines und Stadtnetze - massiv auf das Produkt umgestellt werden, das bisher zum großen Teil ins benachbarte Ausland abfloß. Um diesem ehrgeizigen Ziel näherzukommen, will die russische VNIIGaz technische und finanzielle Hilfe zur Gründung eines Gas-Forschungsinstituts bereitstellen. So wird Bolivien in Zukunft nicht allein von ausländischer Expertise abhängen und eigene Spezialisten ausbilden.

Auch auf anderem Gebiet kam man zusammen. »Die militärische und technische Zusammenarbeit zwischen beiden Nationen wird jedes Mal konkreter und hat Aussichten auf höchstes Niveau«, erklärte Rußlands Verteidigungsminister Anatoli Seriukov. Bolivien zeigte sich am Kauf von kleinen Waffen und Transporthubschraubern interessiert, die es im Kampf gegen den Kokainschmuggel brauche. Nach dem Rausschmiß der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA im vergangenen Jahr wegen »Einmischung in innere Angelegenheiten« ist man auf der Suche nach neuen Partnern und hofft auf russische Hilfe. Medwedew kündigte an, man werde demnächst einen Waffenkauf auf Kredit gewähren.

Der Morales-Besuch folgt einem Trend der jüngeren Vergangenheit. Nachdem eine Staatsreise Medwedew 2008 nach Kuba, Venezuela, Brasilien und Peru führte, gaben sich lateinamerikanische Staatschefs im Kreml zuletzt die Klinke in die Hand.

Am Dienstag (17. Feb.) ging es für Morales weiter nach Paris, wo er am Abend den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy treffen sollte.

* Aus: junge Welt, 18. Februar 2009


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