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Gefahr für Bolivien

Rechte bleibt auf Abspaltungskurs. Am 4. Mai Volksbefragung zur Annahme der Autonomiestatuten von vier Regionen. Gewerkschaften rufen zum Widerstand auf

Von Benjamin Beutler *

Boliviens Zentralregierung der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) hat noch immer kein Mittel gefunden, um die von oppositionellen Regionen und konservativen »Bürgerkomitees« vorangetriebenen Autonomie-Referenden zu stoppen. Auch der aktuelle Versuch, die Katholische Kirche vermitteln zu lassen, um ein Auseinanderbrechen des Andenlandes zu verhindern, gilt schon jetzt als gescheitert. In der vergangenen Woche trafen die regierungsfeindlichen Präfekten der Regionen Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando, die sich im Dezember für unabhängig erklärt hatten, mit Kardinal Julio Terrazas zusammen. »Frieden ist möglich, wir müssen uns von festgefahrenen Standpunkten befreien«, so das geistliche Oberhaupt. Doch schnell wurde klar, daß im oppositionellen Lager der Wille zur Konfliktlösung fehlt. Zum »echten« Dialog werde es erst nach Durchführung der für den 4. Mai vorgesehenen Volksbefragung zur Annahme der Autonomiestatuten kommen, so Präfekt Rubén Costas, der sich seit Jahresbeginn nur noch »Regierender von Santa Cruz« nennen läßt. »Nicht mit 20 Präsidentenerlassen werden sie uns davon abhalten, daß wir am 4. Mai autonom sein werden«, so Costas. Zudem werde man 90 Tage nach dem Volksentscheid eine eigene Regierung wählen.

Die eigentlichen Beweggründe des Autonomiebestrebens werden mit Hilfe der privaten Massenmedien weiter verschleiert. Sie liegen im Widerstand gegen die Ende 2007 verabschiedete MAS-Verfassung, die den Landbesitz an die Erfüllung seiner »sozialen Funktion« bindet und eine Eigentumshöchstgrenze einführen will. Statt dessen werden Versprechungen gemacht, die bei vielen Bolivianern auf fruchtbaren Boden fallen. Die Autonomie werde den echten Wandel bringen, Arbeit, einen gefüllten Warenkorb für alle und würdige Löhne, verkündet etwa der Vorsitzende des von Unternehmern und Großgrundbesitzern geführten »Bürgerkomitee Pro Santa Cruz«, Branko Marinkovich.

Präsident Evo Morales ist in der vergangenen Woche Gerüchten entgegengetreten, er werde am 4. Mai den Ausnahmezustand ausrufen, um den auch vom UN-Sondergesandten Rodolfo Stavenhagen als »außerhalb der Verfassung« stehenden Urnengang zu stoppen. Allerdings mehren sich bei den Sympathisanten der Regierung die Stimmen, die ein hartes Durchgreifen fordern und der auf Dialog setzenden MAS eine Mitschuld am Wiedererstarken der Opposition geben.

Diese Politik habe »es der reichen Minderheit ermöglicht, sich zu reorganisieren und weiterhin die Macht auszuüben, da sie unsere natürlichen Reserven wie fossile Brennstoffe, Bodenschätze und Land ausbeuten können«, so die Bergarbeitergewerkschaft vom Minenzentrum Huanuni. Zusammen mit den meisten Gewerkschaften, Arbeitervereinigungen und Bauernverbänden werde man die »Fahnen der Revolution« erneut wehen lassen. »Wir fordern die Regierung auf, energische Maßnahmen gegen das betrügerische Referendum zu ergreifen und endlich wahrhaft strukturelle Veränderungen im Land umzusetzen«.

* Aus: junge Welt, 14. April 2008


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