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Krise bleibt ungelöst

Bolivien: Oppositionelle Präfekten verweigern Unterschrift unter Abkommen

Von André Scheer *

Der Versuch, durch ein Abkommen die Krise in Bolivien zu beenden, ist am Sonntag an der Weigerung vier oppositioneller Präfekten gescheitert, das in zahlreichen Arbeitsgruppen formulierte Dokument zu unterzeichnen, obwohl die Regierung ihnen in vielen Fragen entgegengekommen war.

In Anwesenheit von Präsident Evo Morales haben am Sonntag in Cochabamba die bolivianische Regierung, fünf Präfekten, der Zusammenschluß der lokalen Bezirksregierungen (FAM) sowie die Parlamentsfraktion der Regierungspartei MAS (Bewegung zum Sozialismus) ein Abkommen unterschrieben, das die umstrittenen Fragen der Autonomien der bolivianischen Regionen und der Steuerverteilung regeln soll. Eine Lösung der Konflikte stellt dieses Dokument aber nicht dar, weil die in Opposition zur Zentralregierung stehenden Präfekten von Santa Cruz, Rubén Costas, von Beni, Ernesto Suárez, von Tarija, Mario Cossío, und von Chuquisaca, Savina Cuellar, ihre Unterschrift verweigerten.

Landwirtschaftsminister Carlos Romero bedauerte die Haltung der Opposition und betonte, daß in dem Abkommen große Teile der Forderungen der rechten Präfekten aufgenommen wurden. So seien die Autonomiebestrebungen des sogenannten »Halbmondes« – die von den rechten Präfekten regierten reichen Departamentos – weitgehend in den überarbeiteten Text der neuen Verfassung aufgenommen worden. Im Rahmen ihrer Autonomie verfügten die Departamentos nicht nur über gesetzgeberische Kompetenzen, sondern auch über eigene Ressourcen und ein eigenes Wahlrecht. »Der Großteil dieses neuen Verfassungskapitels über die Autonomien wurde mit den Vertretern aller Präfekturen und Bezirke vereinbart, auch denen der Opposition«, betonte Romero. Die Oppositionellen hätten die Verweigerung ihrer Unterschrift mit den begonnenen Verfahren gegen Verantwortliche für die gewaltsamen Ausschreitungen der vergangenen Wochen begründet und außerdem gefordert, die Palette der zu diskutierenden Themen erneut zu erweitern. Tatsächlich, so eine Vermutung, stieß den Präfekten offenbar sauer auf, daß in dem Abkommen nicht nur Autonomien für die Departamentos, sondern auch für die Regierungsbezirke und die indigenen Gemeinschaften vorgesehen sind.

Angesichts der starren Haltung der oppositionellen Präfekten verwies die Regierung darauf, daß der Dialogprozeß nun im Parlament des Landes, dem Kongreß, fortgesetzt werde. Dazu gehöre auch die Einberufung eines Referendums über die neue Verfassung. Die Regierungspartei MAS verfügt nur in der Abgeordnetenkammer über eine absolute Mehrheit, während sie im Senat auf die Unterstützung durch Teile der Opposition angewiesen ist.

* Aus: junge Welt, 7. Oktober 2008


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