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Rückendeckung für Evo Morales

Venezuela weist US-Botschafter aus

Von Benjamin Beutler *

Die von der rechten Opposition geschürte innenpolitische Krise in Bolivien hat zu schweren diplomatischen Verstimmungen zwischen den USA und den linksgerichteten Regierungen in La Paz und Caracas geführt.

Hugo Chávez ist für seine klaren Worte bekannt. »Scheiß-Yankees, geht zum Teufel!«, schimpfte Venezuelas Präsident am Donnerstag (11. Sept.) bei einer öffentlichen Veranstaltung in Puerto Cabello. Zuvor hatte Chávez seine Solidarität mit Boliviens Präsidenten Evo Morales und dessen regierender Bewegung zum Sozialismus (MAS) erklärt und Taten folgen lassen: Er forderte den US-Chefdiplomaten Patrick Duddy zur Ausreise auf. »Er hat 72 Stunden Zeit, das Land zu verlassen.« Auch den eigenen Botschafter in Washington solle Außenminister Nicolás Maduro zurückrufen, ordnete der linksgerichtete Staatschef an. Venezuela werde erst wieder einen Botschafter in die USA schicken, wenn Präsident George W. Bush abgelöst worden sei. »Von jetzt an ist Bolivien nicht mehr allein«, betonte Chávez, es sei »Schluss mit den unzähligen Aggressionen«. In Bolivien sei derzeit ein »Staatstreich« im Gange, dahinter stünden die »Regierung der USA und die bolivianische Oligarchie«.

In Venezuela wolle Präsident Georg W. Bush, der kurz vor Ende seiner Amtszeit steht, offene Rechnungen begleichen. Am Donnerstag (11. Sept.) wurde in Venezuelas Staatsfernsehen ein vereitelter Plan putschbereiter Militärs präsentiert, die Chávez mit F16-Kampfflugzeugen in seinem Präsidentenflugzeug abschießen wollten. »Ich bin nicht mehr der Chávez von 2002«, erinnerte er an den damals gescheiterten Putsch mit US-Unterstützung und kündigte eine harte Strafverfolgung der Verantwortlichen an.

Unterdessen hat das Außenministerium der USA Boliviens Botschafter Gustavo Guzmán als Retourkutsche auf die Ausweisung von US-Botschafter Philip Goldberg ausgewiesen. Außenministeriumssprecher Sean McCormack hatte die Entscheidung Boliviens »bedauert«, sie werde »ernsthafte Folgen für die Region« nach sich ziehen. Er verwies dabei auf die wirtschaftliche Bedeutung der USA für das zweitärmste Land Südamerikas, man sei »wichtigster Geldgeber der Entwicklungshilfe, wichtigster Exportmarkt und wichtigster Partner im Anti-Drogen-Kampf«.

MAS-Kabinettschef Alfredo Rada begründete den Rauswurf Goldbergs erneut mit dessen persönlicher Unterstützung für die gewaltbereite Opposition. Die zwischenstaatlichen Beziehungen zu den USA seien »nicht unterbrochen«. Derweil war es am Donnerstag (11. Sept.) nahe der nordbolivianischen Provinzhauptstadt Cobija zu einem gewaltsamen Zwischenfall gekommen. Laut Aussagen des Ministers für innere Sicherheit und Polizei, Rubén Gamarra, seien MAS-Anhänger auf einem Demonstrationszug in einen Hinterhalt geraten, wobei sie von regierungsfeindlichen Paramilitärs der lokalen Präfektur mit automatischen Waffen beschossen wurden. Dabei kamen mindestens neun Menschen ums Leben. Während die MAS-Regierung nationale Trauer für die Opfer anordnete, rief Morales die Bevölkerung in Anbetracht des »bürgerlich-regionalen Staatsstreichs« zu Ruhe auf, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die »Geduld ihre Grenzen« habe.

* Aus: Neues Deutschland, 13. September 2008


Am Rand des Bürgerkriegs **



Der Ausbruch rechter Gewalt gegen Boliviens Regierung der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) und die mögliche Beteiligung der USA hat auf inner­amerikanischer Ebene zu einer diplomatischen Krise geführt. Nachdem Präsident Evo Morales am Mittwoch (10. Sept.) den US-Botschafter Philip Goldberg wegen »Einmischung in innere Angelegenheiten« zur »persona non grata« erklärt hatte, reagierten die USA ihrerseits mit einer Ausweisung des bolivianischen Botschafters Gustavo Guzmán. In »Solidarität mit dem bolivianischen Volk« forderte Venezuelas Präsident Hugo Chávez daraufhin den obersten diplomatischen US-Vertreter Patrick Duddy auf, das Land innerhalb von 72 Stunden zu verlassen. Chávez hatte in der Vergangenheit immer wieder erklärt, er werde der verbündeten MAS-Regierung zur Not auch mit militärischen Mitteln Beistand leisten. »Hier lebt ein Volk in Würde, verdammte Yankees, hundertmal zum Teufel mit euch«, schimpfte er in Richtung Washington. Einen Tag zuvor war ein Putschplan regierungsfeindlicher Militärs publik geworden, bei dem das Flugzeug von Chávez abgeschossen werden sollte.

Das US-Außenministerium bezeichnete in einer ersten Erklärung die Ausweisung von Botschafter Goldberg als einen »schweren Fehler«, der die bilateralen Beziehungen »ernsthaft« beschädige. Bolivien habe mit Konsequenzen zu rechnen, die USA sei »wichtigster Geber von Entwicklungshilfe, wichtigster Exportmarkt und wichtigster Partner im Antidrogenkampf«. Laut MAS-Kabinett-Chef Alfredo Rada bleiben die »zwischenstaatlichen Beziehungen weiter intakt«. Er rechtfertigte die Maßnahme aber als »diplomatischen Mechanismus, den die Regierung Boliviens anwendet, um seine Souveränität gegenüber den individuellen Handlungen Goldbergs zu verteidigen«. Nach sechs vorangegangenen Zurechtweisungen durch Boliviens Außenminister sei die »diplomatische Geduld der Regierung ans Ende gekommen«, so Rada. Goldberg habe weiter mit der bolivianischen Opposition konspiriert, die im Andenland seit Wochenbeginn eine Welle der Gewalt entfacht.

Und die nimmt bereits bürgerkriegsähnliche Züge an. Am Donnerstag (11. Sept.) kam es im nordbolivianischen Departamento Pando zu schweren Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Anhängern der lokalen Präfektur und regierungstreuen Bauern. Auf beiden Seiten gab es Tote, insgesamt starben neun Menschen. Eine Gruppe Landarbeiter, die gegen den rechten Präfekten von Pando protestiert hatte, wurde auf ihrem Weg in die Provinzhauptstadt Cobija durch eine Straßenblockade gestoppt. Bewaffnete Paramilitärs eröffneten das Feuer auf die Bauern. Schon am Dienstag (9. Sept.) hatte Morales angekündigt, daß die »Geduld Grenzen habe«. Laut Augenzeugenberichten soll am Freitag (12. Sept.) Militär in die ostbolivianische Oppositionshochburg Santa Cruz einmarschiert sein.

** Aus: junge Welt, 13. September 2008


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