Bolivien kaut nun legal Koka
Linksregierung des Andenstaates erreicht Änderung der UN-Drogenkonvention
Von Benjamin Beutler *
In Bolivien gehört das Kokablatt-Kauen zur Tradition. Die UNO nahm nun eine Sonderregelung ins Betäubungsmittelabkommen auf.
Bolivien ist wieder Mitglied im UN-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel. »Das Kokablatt wurde auf internationaler Ebene verboten, verteufelt und kriminalisiert«, feierte Präsident Evo Morales von der regierenden »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) die »breite Anerkennung unserer Identität, unseres Kokablatts und des Kokablatt-Kauens«. Am vergangenen Donnerstag hatte die UNO in New York den Erfolg bolivianischer Außenpolitik über das Verbot des traditionellen Kokablatt-Kauens bekannt gegeben. Mehr als 50 Jahre der Kriminalisierung der weit verbreiteten Acullico-Tradition in den Anden haben damit ein Ende.
»Zum ersten Mal hat der bolivianische Staat über internationale Organisationen und Länder, die sich aus politischen Gründen gegen die traditionelle Nutzung des Kokablattes wehren, einen Sieg errungen«, erklärte MAS-Senator Eugenio Rojas in der Hauptstadt La Paz. Für heute werden hunderte von Koka-Bauern aus den Yungas, einer der zwei großen Koka-Anbauregionen, und regierungsnahe soziale Organisationen auf der Plaza Villaroel im Zentrum von La Paz erwartet, um den »Triumph Boliviens« ausgiebig zu feiern.
Gejubelt wurde auch im Chapare, dem Zentrum der Kokablatt-Wirtschaft im Departamento Cochabamba. Hier im Herzen Boliviens hatte die mächtige Kokabauerngewerkschaft, deren Vorsitzender Morales ist, ihre Mitglieder zum öffentlichen Koka-Kauen auf die Straße gebracht.
Weil seine Verarbeitung zu Kokain mit chemischen Mitteln möglich ist, stand das Kokablatt seit 1961 auf der UN-Liste verbotener Betäubungsmittel. Damit war auch der Konsum tabu. Boliviens Verfassung von 2009 stellt das Kokablatt-Kauen aber als Bestandteil der Nationalkultur unter Schutz.
Deshalb war das Andenland Anfang 2012 aus dem internationalen Abkommen ausgetreten. Die Rückkehr war möglich geworden, weil binnen Jahresfrist nur 15 Staaten gegen das Ausnahmegesuch Boliviens gestimmt hatten. Um eine Wiederaufnahme zu verhindern, hätten ein Drittel, also 62 von 183 Mitgliedsstaaten, gegen den Vorstoß stimmen müssen.
Ihr Veto legten die USA, Großbritannien und Schweden ein. Dem Beispiel dieser größten Kokain-Konsumentenländer folgten Italien, Kanada, Frankreich, Russland, die Niederlande, Israel, Finnland, Portugal, Irland, Japan und Mexiko. »Ja, eine Gruppe von Ländern ist dagegen, aus rein politischen Gründen«, kritisierte Vizepräsident Álvaro Garcia Linera vor allem die US-Regierung. »Anderen wiederum mangelte es wohl an Informationen«, so Linera. Auch Deutschland gehört zu den Vetostaaten. Und das, obwohl Boliviens Außenminister David Choquehuanca auf einer Europa-Rundreise eigens nach Berlin gekommen war, um für die Legalisierung zu werben.
2009 hatten dieselben Staaten bereits ein einfaches Änderungsverfahren Boliviens auflaufen lassen. Auf eine Parlamentsanfrage hatte die Bundesregierung geantwortet, Kokakauen beschädige »die drogenpolitisch bindende Wirkung der in den Vereinten Nationen entwickelten Rechtsinstrumente«. Bolivien verteidigt Das Koka-Kauen dagegen als uralte Kulturpraktik: »Wir haben das der ganzen Welt erklärt, es handelt sich um eine rituelle und medizinische Nutzung des Kokablatts. Solange es Bolivianer und Leben auf dieser Welt gibt, bleibt Koka Teil unserer Kultur«, sagte Vize Linera. Die Ausnahmeregelung im UN-Abkommen gilt allerdings ausschließlich für den innerbolivianischen Konsum, der Koka-Export bleibt verboten.
* Aus: neues deutschland, Montag, 14. Januar 2013
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