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Forderungen an Europa

Evo Morales in Spanien: Freizügigkeit für alle Menschen weltweit verlangt

Von André Scheer *

Venezuelas Präsident Hugo Chávez und sein Amtskollege aus Bolivien, Evo Morales, haben sich in Madrid die Türklinke in die Hand gegeben. Nachdem Chávez am Freitag (11. Sept.) mit dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero und König Juan Carlos zusammengetroffen war, traf Morales am Sonntag (13. Sept.) abend in der spanischen Hauptstadt ein. Auf der Agenda seines bis zum heutigen Dienstag (15. Sept.) dauernden Besuchs stehen neben Gesprächen mit Zapatero und Juan Carlos vor allem Treffen mit europäischen Unternehmern, die sich für Investitionen in dem Andenstaat interessieren.

Autokonzerne aus Frankreich, Japan und den USA interessieren sich für die Lithiumreserven Boliviens, die als weltweit größte Reserve des Leichtmetalls gelten. Die bolivianische Regierung will das Lithium ausbeuten, hat aber angekündigt, es nicht als Rohstoff zu exportieren, sondern es im Land selbst zu verarbeiten. Seine Regierung sei deshalb bereit, mit ausländischen Unternehmen Investitionsabkommen zu schließen, aber nur, wenn sich diese nach den Gesetzen Boliviens richten und Gemeinschaftsunternehmen mit dem bolivianischen Staat gründen, betonte Morales. Auf keinen Fall werde Bolivien auf sein Eigentum an den Bodenschätzen verzichten oder wichtige Zweige seiner Industrie privatisieren.

Noch vor dem offiziellen Beginn des Besuchs war Morales am Sonntag in Leganés, einem Vorort der Hauptstadt Madrid, bei einer Kundgebung aufgetreten, zu der linke Organisationen und Immigrantenvereinigungen rund 10000 Menschen mobilisiert hatten, unter ihnen vor allem in Spanien lebende Menschen aus Lateinamerika. Angesichts des zunehmenden Drucks, den Einwanderer aus anderen Kontinenten in der Europäischen Union ausgesetzt sind, forderte Morales die UNO auf, das Recht jedes Menschen anzuerkennen, sich überall auf der Welt niederzulassen. »Wir alle haben das Recht, jeden Teil der Erde zu bewohnen, solange wir die Regeln jedes Landes respektieren. Uns für illegal zu erklären, ist ein großer Fehler. Das ist mein Vorschlag in den Vereinten Nationen, dem sich zum Glück viele Länder anschließen werden«, sagte Morales mit Blick auf die in der kommenden Woche beginnende UNO-Generalversammlung in New York. Er könne nicht nachvollziehen, daß die europäische Migrationspolitik heute Bürger aus Südamerika für illegal erkläre, »während unsere Großeltern sie nie für illegal erklärt haben«, als in vergangenen Jahrzehnten die Europäer auf der Flucht vor Krieg und Hunger nach Lateinamerika gekommen waren.

Morales forderte außerdem die europäischen Regierungen auf, sich ihrer Verantwortung für die Klimakatastrophe zu stellen. Einige früher immer verschneite Gipfel Boliviens wie der Chacaltaya, der einst als das höchstgelegene Skigebiet der Welt galt, sind heute praktisch eisfrei. »Wer ist dafür verantwortlich? Die kapitalistischen Entwicklungsmodelle, die übertriebene und ungezügelte Industrialisierung einiger Länder des Westens«, erklärte der bolivianische Präsident. Heute werde es wichtiger, die Rechte der Mutter Erde als die Rechte der Menschen zu verteidigen, so Morales: »Wenn wir die Rechte der Mutter Erde nicht verteidigen, nützt die Verteidigung der Menschenrechte gar nichts.«

Evo Morales kritisierte erneut die geplante Errichtung von US-Militärstützpunkten in Kolumbien. »Wo es US-Stützpunkte gibt, gibt es Staatsstreiche«, warnte er und rief die so­zialen Bewegungen Europas auf, den Widerstand gegen die nordamerikanische Einmischung in Lateinamerika zu unterstützen.

* Aus: junge Welt, 15. September 2009


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