Evo Morales unter Druck
Boliviens Elite will sich mit Machtverlust nicht abfinden
Von Benjamin Beutler *
Durch Lebensmittelverknappung, Desinformation und »zivilen Ungehorsam« will Boliviens
konservative Opposition die Bevölkerung gegen die Regierung der Bewegung zum Sozialismus
(MAS) aufbringen.
Präsident Evo Morales weht der Wind ins Gesicht. Grund sind die immer aggressiveren Methoden
der Wahlverlierer des Jahres 2005. Allen Vermittlungsangeboten zum Trotz gehen sie auf
Konfrontationskurs, um die von der MAS betriebene »demokratisch-kulturelle Revolution« Boliviens
aufzuhalten.
Die regierungsfeindlichen Präfekten der Departements Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando riefen zu
»zivilem Ungehorsam« gegen sämtliche staatliche Einrichtungen und Behörden auf, wenn die
Regierung die beschlossene Budgetkürzung für die Gebietsverwaltungen nicht zurücknimmt. Um
den 350 000 über 60-jährigen Rentnern im Lande eine monatliche »Rente der Würde« (25 USDollar)
zahlen zu können, hatte die MAS-Regierung Steuereinnahmen aus dem Gas- und Ölgeschäft
abgezweigt, die zuvor den oppositionell regierten Regionen zugute gekommen waren.
Obwohl die neue Rente eine unmittelbare Reduzierung der »leichten Armut« von 59 Prozent (2005)
auf 42 Prozent (2008), und der »schweren Armut« von 35 auf 15 Prozent bewirkt, sieht sich die
Opposition benachteiligt und beurteilt die Budgetkürzung als Strafaktion gegen ihr für den 4. Mai
geplantes Autonomiereferendum. Trotz eines Verbots durch das Nationale Wahlgericht hält sie an
dieser Abstimmung fest, die über eigenmächtig redigierte Autonomiestatuten entscheiden soll.
Die Ignoranz gegenüber staatlichen Hoheitsakten zeigte sich dieser Tage auch in der Stadt Sucre,
deren Elite die Verfassunggebenden Versammlung im vergangenen Jahr durch teils gewalttätige
und rassistische Proteste torpediert hatte. Nach dem Rücktritt des örtlichen Präfekten im November
2007 hatte Präsident Morales einen Übergangsnachfolger bestimmt und Neuwahlen geplant. Doch
die Opposition bestimmte Mitte März per »Volksversammlung« einen eigenen Kandidaten. Jüngst
stürmten radikale Oppositionelle die Präfektur und vertrieben den Amtsinhaber mit Schlägen und
Tritten aus dem Gebäude. Auch zwei staatliche Fernseh- und Radiosender fielen dem
Gewaltausbruch zum Opfer. Die internationale Organisation »Reporter ohne Grenzen« kritisierte die
Sendeunterbrechung als »Vandalismus« und »Angriff auf die Vielfalt öffentlicher Meinungsbildung«.
Der Kampf um die öffentliche Meinung ist voll entbrannt. Dafür steht ein jüngster Bericht,
ausgestrahlt durch einen von der Opposition kontrollierten Fernsehsender. Unter Verwendung von
Archivbildern suggerierten die Autoren, dass die Regierung eine Weizenspende aus den USA
abgelehnt hätte – allein aus politischen Gründen. Das Ganze entpuppte sich als Fälschung, nur
erdacht, um die Bevölkerung gegen die MAS aufzubringen.
Auch die Lebensmittelproduzenten, vor allem in Santa Cruz ansässig, blasen zum Angriff. Wichtige
Waren wie Fleisch, Reis, Mais und Speiseöl werden künstlich verknappt. Um dem Preisanstieg
entgegenzuwirken, verhängte die Regierung ein Exportverbot für Speiseöl, subventioniert Reis, kauft
Fleisch zur Stützung des Marktes. Gewerkschaften wie die Regionale Arbeiterzentrale (COR)
kündigten Maßnahmen gegen Spekulation und Preistreiberei an: Man werde verdächtige
Lebensmittellager stürmen. COR-Vorsitzender Edgar Pantana sagte: »Unternehmer und Oligarchen
aus dem Tiefland müssen verstehen, dass die Dinge sich verändert haben: Mit dem Hunger des
Volkes wird nicht mehr gespielt.«
* Aus: Neues Deutschland, 31. März 2008
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