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Entwicklungsland auf dem Weg in die Zukunft

Benjamin Beutler gibt einen ersten Einblick in Geschichte und mögliche Zukunft Boliviens

Von Helge Buttkereit *

Warum ein Buch über Bolivien lesen? Diese Frage steht zu Beginn des Buches von jW-Autor Benjamin Beutler. Die folgenden knapp 200 Seiten liefern viele richtige Antworten darauf. Dabei ist es nicht nur der Rohstoff der Zukunft und Titelgeber des Buches, Lithium, der den Text für den Leser interessant macht. Denn das Lithium kann gewissermaßen als Chiffre für Geschichte und Gegenwart des lateinamerikanischen Landes gelten. Schließlich bietet sein Abbau unter der heutigen Regierung von Evo Morales erstmals die Möglichkeit, daß ein Rohstoff für die Entwicklung des Landes und damit für die Mehrheit der Menschen genutzt wird. Daß es über Jahrhunderte anders war, daß beispielsweise die Geschichte des Silberbergs Cerro Rico in Potosí im Süden Boliviens eng mit der Ausbeutung und dem Tod von vielen indigenen Zwangsarbeitern verbunden ist, stellt Beutler anschaulich dar.

Es ist diese Darstellungsweise, die das Buch insbesondere für Einsteiger in die Thematik gut lesbar macht. So setzt Beutler keine Kenntnisse voraus, sondern erläutert die wichtigsten Aspekte des heutigen wie des vergangenen Boliviens in essayistischer Weise. Dabei läßt er immer wieder seine Kapitel in der Gegenwart beginnen und reichert sie dann durch den Rückblick an. Spannend sind beide Aspekte, ob es nun um den Wasserkrieg des Jahres 2000 geht, in dem die Bewegung gegen Wasserprivatisierung in der Stadt Cochabamba den multinationalen Konzern Bechtel aus der Stadt warf oder ob Beutler den Kampf der weißen, kreolischen Bolivianer um Unabhängigkeit Anfang des 19. Jahrhunderts beschreibt. Zwar besteht durch die Darstellungsweise immer wieder die Gefahr, daß sich der Leser ohne Vorkenntnisse durch den Sprung in die Geschichte verlaufen könnte. Da die Kapitel aber jeweils auch für sich alleine verständlich sind, ergibt sich ein schlüssiges Gesamtbild, das allerdings etwas zu sehr in Schwarzweiß gezeichnet ist.

Zweifellos geht es im heutigen Bolivien um den Kampf der armen indigenen Mehrheit, die endlich auch am Rohstoffreichtum Anteil haben und über die Geschicke ihres Landes mitbestimmen will. Aber daß die Regierung Morales nicht nur die Opposition der alten Elite gegen sich hat, sondern es mittlerweile auch eine starke »linke« Opposition gibt, es vielen Unterstützern zu langsam geht und sie eine Verbesserung ihrer Lage von der Regierung fordern, das fehlt in dieser Einführung. Auch daß Beutler bei der Analyse des Weltmarktes und seinen Mechanismen an einigen Stellen unscharf wird – etwa dort, wo er die Preise einer Tonne Lithium mit einer Tonne Erdöl und mit einer Tonne Kaffee vergleicht – mag man als Kritikpunkt nennen. Den guten Gesamteindruck trüben beide Befunde allerdings nicht.

Benjamin Beutler: Das weiße Gold der Zukunft - Bolivien und das Lithium. Rotbuch Verlag, Berlin 2011, 191 Seiten, 12,95 Euro

* Aus: junge Welt, 22. August 2011


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