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Unterwegs in Bolivien: Deutsche Entwicklungsministerin besucht La Paz und Cochabamba. Treffen mit Morales

Von Timo Berger*

Erstmals seit seiner Amtsübernahme erhält Präsident Evo Morales am Freitag Regierungsbesuch aus Deutschland. Er gibt Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) die Ehre. Am heutigen Donnerstag, dem dritten Tag ihrer Reise, kam die Politikerin profaneren Pflichten aus ihrem Aufgabenbereich nach, als sie eine Bewässerungsanlage in Cochabamba besichtigte, die mit deutschen Geldern finanziert wird. Allerdings war auch ein hochpolitischer Termin geplant: Im Gespräch sollten indigene Gruppen ihre Vorstellungen für die geplante Verfassungsgebende Versammlung kundtun, die die Rechte der indianischen Bevölkerungsmehrheit stärken soll.

Insgesamt, so die Ministerin Ende Februar in Berlin nach einem Treffen mit der neuen bolivianischen Wirtschaftsministerin Celinda Sosa, sei als Ziel ihrer dritten Bolivienreise ins Auge gefaßt, »sich vor Ort ein Bild über die laufende Zusammenarbeit zu machen und deren Weiterentwicklung zu diskutieren«. Damals hatte sie weiteren deutschen »Beistand« in der Entwicklungszusammenarbeit zugesagt: Bolivien sei ein wichtiges Partnerland. Dabei ginge es in erster Linie um den »Kampf gegen die Armut«. Darauf müßten sich auch »die internationalen Finanzorganisationen« konzentrieren, meinte Wieczorek-Zeul, die so auf ein stärkeres Eingreifen von Währungsfonds (IWF) und Weltbank in die innenbolivianische Entwicklung orientierte.

Deutschland ist hinter den USA und Japan derzeit der drittgrößte bilaterale Investor in Bolivien. Gelder werden unter anderem in den Bereichen einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Entwicklung, des Wassers und der »Modernisierung von Staat und Verwaltung« eingesetzt. Dieses fortzuführen, so jüngst ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums, bestehe ein »großes Interesse« deutscherseits. Das Bundesentwicklungsministerium fördert Projekte im Chaco, im Norden von La Paz und Potosí und in Chiquitania. In den Regierungsverhandlungen 2001/2002 wurden für Bolivien 47 Millionen Euro veranschlagt. 2003 erhielt das Land eine Zusage über insgesamt 51 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre.

Bei der bevorstehenden Begegnung Wiezcorek-Zeuls mit Morales drei Monate nach dessen Amtsantritt geht es offiziell vor allem um die Zukunft der Projekte zur Förderung erneuerbarer Energien und der Verbesserung der Trinkwasserversorgung, wie die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) auf ihrer Webseite ankündigte. Nach dem Treffen wollen Morales und die Ministerin ein Abkommen zum Schutz der Biodiversität in Bolivien unterzeichnen. Die zweite Phase des Programms wird von Deutschland mit rund zehn Millionen Euro gefördert.

Nach der von großen Teilen der Bevölkerung gefeierten Regierungsübernahme stand der bolivianische Präsident zuletzt unter wachsendem Druck. Arbeiter des Bildungs- und Gesundheitssektors streikten für die Erhöhung ihrer Löhne. Die sozialen Bewegungen drängen auf die Erfüllung ihrer Forderungen nach Verstaatlichung des Energiesektors, derweil Morales auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen ist, um die angekündigten, bislang noch nicht umgesetzten Sozialprogramme zu finanzieren. Auch in diesem Bereich erhält der linke Präsident nun Finanzzusagen von deutscher Seite, die naturgemäß auch neue Abhängigkeiten mit sich bringen: Ende März räumte die deutsche Entwicklungsbank KfW der Regierung Morales einen geringverzinsten Kredit über sechs Millionen Euro ein – zur Finanzierung von Programmen gegen die Armut.

* Aus: junge Welt, 20. April 2006



BOLIVIEN

Bolivien ist ein Schwerpunktpartnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und Pilotland im Rahmen des Aktionsprogramms 2015. Deutschland unterstützt den Andenstaat bei der Reform der Verwaltung und der Justiz sowie bei der Stärkung der Zivilgesellschaft. Weitere Bereiche der Zusammenarbeit sind die Sicherstellung der Wasserversorgung, ein verbessertes Abwassermanagement und die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Bolivien liegt im Hochland der Anden in Südamerika. Einst war das Gebiet Teil des Imperiums der Inka-Könige. Doch im sechzehnten Jahrhundert zerstörten spanische Eroberer das Inka-Reich und beuteten das Land rücksichtslos aus. Vom legendären Silberreichtum und den großen Gewinnen aus dem Abbau anderer Bodenschätze blieb fast nichts - heute ist Bolivien das ärmste Land der Region. Auch nach der Unabhängigkeit (1825) bestimmten Unterentwicklung und politische Krisen den Alltag in Bolivien - mehr als 150 Putsche verhinderten eine Stabilisierung. Die letzte große Krise hatte das Land im Jahr 2003 zu bestehen: Nach wochenlangen, teilweise gewaltsamen Demonstrationen gegen seine Wirtschaftspolitik, trat der Präsident zurück. Seit den 80er Jahren entwickelt sich die Tieflandregion um die Stadt Santa Cruz zum Motor der bolivianischen Wirtschaft, nach wie vor lebt aber etwa die Hälfte der Einwohner von Landwirtschaft.

Quelle: Website des Entwicklungsministeriums; www.bmz.de

Pressemitteilung des Entwicklungsministeriums

Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul ist am 18. April nach Bolivien abgereist.
Dort wird sie mit Staatspräsident Evo Morales und anderen Mitgliedern der neuen bolivianischen Regierung zu politischen Gesprächen zusammentreffen und Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit besuchen.
Morales wurde Ende 2005 als erster indigener Präsident Boliviens gewählt. Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das mit Präsident Morales in Bolivien zusammentrifft.

Die neue bolivianische Regierung steht vor vielen Herausforderungen - vor allem in der Armutsbekämpfung. Dabei bleibt Deutschland weiterhin ein zuverlässiger Partner für Bolivien - auch das soll der Besuch unterstreichen.
Unter anderem wird die Ministerin ein Bewässerungsprojekt in der Region Cochamba besuchen. Gerade der besonders armen Landbevölkerung wird mit diesem Projekt die Möglichkeit geboten, Landwirtschaft effizienter zu betreiben. Weitere Projekte der ländlichen Entwicklung stehen ebenfalls auf dem Besuchsprogramm.
Die Bolivienreise der Ministerin endet am 22. April.

Quelle: Website des Entwicklungsministeriums; www.bmz.de




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