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Bolivien-Brasilien: Mehr Geld fürs Gas

Evo Morales und "Lula" da Silva einigten sich auf neue Verträge

Von Timo Berger *

Am Donnerstag morgen (15. Februar 2007) erklärten der bolivianische Präsident Evo Morales und sein brasilianischer Amtskollege Luis Inácio Lula da Silva in Brasilia den Gasstreit zwischen beiden Ländern für beigelegt: Brasilien ist bereit, dieses Jahr 145 Millionen US-Dollar mehr für das bolivianische Gas zu zahlen, im Gegenzug stimmte Boli­vien einer geringeren Preiserhöhung zu als ursprünglich gefordert.

Fast ein Jahr lang hatten beide Nachbarländer über eine Anpassung der Gaspreise verhandelt. Evo Morales, der zur Zeit zu einem Staatsbesuch in Brasilien weilt, hatte vor kurzem noch erklärt, es könne nicht sein, daß Bolivien als ein »armes und unterentwickeltes Land die Industrie des wirtschaftlichen Giganten Brasiliens subventioniert«. In der Tat lag der bisher gezahlte Gaspreis zum Teil erheblich unter dem Weltmarktniveau, was auch der brasilianische Außenminister nach der Einigung am Mittwoch einräumte: »Der Preis war nicht mehr zeitgemäß und gerecht.«

Zwei Verträge regeln die Gaslieferungen Boliviens an das Nachbarland. Seit 2001 fließen täglich 1,2 Millionen Kubikmeter in den Bundesstaat Matto Grosso. Mit dem Großteil des Gases wird ein thermoelektrisches Kraftwerk in der Stadt Cuiabá betrieben. Bislang bezahlte Brasilien dafür 1,09 US-Dollar je Million BTU (britische Wärmeeinheit) Gas – 1 BTU entspricht 0,000293 Kilowattstunden. Am Mittwoch vereinbarte die bolivianische Regierung mit dem privaten Energieversorger Termo Cuiabá, den Preis ab dem 1. April um 285 Prozent auf 4,20 US-Dollar zu erhöhen. Boliviens Energieminister Carlos Villegas erklärte, durch die Preisanpassung werde sein Land dieses Jahr 44,86 Millionen US-Dollar mehr einnehmen.

Der größere Teil der bolivianischen Gasexporte nach Brasilien fließt seit 1999 durch eine 2540 Kilometer lange Pipeline von Santa Cruz nach São Paulo, dem größten Industriezentrum des Landes. Das bolivianische Gas deckt mit 26 bis 30 Millionen Kubikmeter die Hälfte des täglichen Bedarfs Brasiliens. Das Gas wird vor allem zur Stromerzeugung und als Brennstoff für Autos und Öfen verwendet. Bislang zahlte der staatliche brasilianische Energieversorger Petrobras dafür 4,20 US-Dollar je Million BTU. Dieser Grundpreis wird vorerst nichts geändert. Allerdings soll das bolivianische Gas künftig in seine Bestandteile getrennt werden. Besonders hochwertig, energiereiche Bestandteile werden künftig nach Weltmarktpreis bezahlt. Nach Schätzungen von Energieminister Carlos Villegas kann Bolivien somit jährlich noch einmal 100 Millionen US-Dollar mehr von Brasilien bekommen.

Bolivien hat dennoch in den Verhandlungen nachgegeben. Ursprünglich wollte das Land den Preis auf fünf US-Dollar je Million BTU erhöhen. Soviel zahlt Boliviens südlicher Nachbar Argentinien bereits seit Juni 2006.

Am Donnerstag unterzeichneten Morales und »Lula« mehrere Abkommen, um die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern weiter zu vertiefen. Unter anderem wird Petrobras seinen vergangenes Jahr verkündeten Investitionsstopp aufheben und in Bolivien eine Biodieselanlage errichten. Außerdem soll an der bolivianisch-brasilianischen Grenze ein Komplex zur Verarbeitung von Gas entstehen. Bolivien verfügt nach Venezuela über die zweitgrößten Gasreserven in Südamerika.

* Aus: junge Welt, 16. Februar 2007


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