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Auf Erfolgskurs

186 Jahre nach der Gründung Boliviens zieht Evo Morales Bilanz

Von Benjamin Beutler *

Die bolivianische Regierung der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) übt sich im Schulterklopfen. »In den letzten fünf Jahren sind eine Million Menschen in die Mittelschicht aufgestiegen«, so Präsident Evo Morales in einer mit Jahreszahlen und Wirtschaftsdaten vollgepackten Rede an die Nation. Zum 186. Mal feierte das Andenland am Sonnabend seine Unabhängigkeit von der Spanischen Krone, für die MAS-Administration willkommener Anlaß, eine Zwischenbilanz zu ziehen.

»Seit Republikgründung 1825 sind die sozialen Bewegungen erstmals in einer einzigen Partei vereint, einer Partei der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Befreiung«, erinnerte ein »äußerst zufriedener« Morales. Die Europäer seien gekommen, »um uns zu dominieren, zu unterwerfen und unsere Bodenschätze auszurauben, uns auszugrenzen und mit dem Ziel der Ausrottung der indigenen Völker zu diskriminieren«, erinnerte der MAS-Chef an die Jahrhunderte der Kolonisierung.

Heute könne man als Bolivianer wieder stolz sein. Sechs gewonnene Wahlen, drei mit mehr als 50 Prozent, zwei mit mehr als 60 Prozent, bezeugten den »demokratischen Aufstand«, so Boliviens erstes indigenes Staatsoberhaupt in der »Casa de la Libertad«. Die einstige Jesuitenkapelle in der Hauptstadt Sucre ist nationales Heiligtum. Nach Vertreibung des Ordens machten die Kolonialherren eine Eliteuniversität aus dem Gotteshaus, viele Unabhängigkeitskämpfer studierten hier. Nach 16 Jahren erbitterten Krieges gegen die Herren aus Spanien wurde in dem Kolonialbau am 6. August 1825 die Unabhängigkeitserklärung von Alto Perú besiegelt und der Grundstein für die Gründung der Republik gelegt.

Dem anwesenden »plurinationalen Parlament voller Röcke, Hüte, Minero-Helme, Chulo-Mützen und Ponchos« präsentierte der Staatschef zur Feier des Tages ein wahres Zahlenfeuerwerk. 3,3 Milliarden US-Dollar öffentlicher Investitionen 2011 seien ein historischer Rekord und würden im Vergleich zum jährlichen Durchschnitt im Zeitraum 2000 bis 2005 einen Anstieg um 150 Prozent seit dem Amtsantritt der MAS im Jahr 2006 bedeuten.

Verfünffacht hätten sich die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. »Der Grund für das gestiegene BIP ist natürlich die Nationalisierung der fossilen Brennstoffe«, verwies der ehemalige Kokabauer auf das für 2011 prognostizierte Wachstum von 5,7 Prozent. Auch den Staatshaushalt habe man im Griff: Dies sei »ein Leichtes«, da der Staat »erstmals die Kontrolle über die Bodenschätze« ausübe. Zehnmal mehr Geld als 2005 hat diese Politik in die Kassen gespült, die internationalen Währungsreserven liegen bei elf Milliarden US-Dollar. Warum Morales im Westen kaum Freunde hat, ist klar. Über Sozialprogramme werde »die Wirtschaft demokratisiert. Das hilf uns dabei, den Reichtum umzuverteilen«. Den Erfolg dieser Strategie verdeutlichte der Präsident ebenfalls mit Hilfe von Zahlen: Lag die Relation der Einkünfte 2005 bei »1 zu 170 – der Ärmste verdiente einen und die Reichsten 170 Dollar, so ist das Verhältnis heute 1 zu 70«, erklärte Morales

* Aus: junge Welt, 8. August 2011


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