Testwahl in Bhutan
Probelauf für erstes Parlamentsvotum
Von Hilmar König, Delhi *
Das Königreich Bhutan bereitet sich auf die ersten Parlamentswahlen im Jahr 2008 vor. Am Sonnabend waren 400 000 Wahlberechtigte zur Generalprobe aufgerufen.
Obwohl es sich nur um »Scheinwahlen« handelte, sprach Bhutans Chefwahlkommissar Dasho
Kunzang Wangdi von einem »historischen Ereignis«. Denn erstmals waren in dem rund 700 000
Einwohner zählenden Himalaja-Staat zwischen China und Indien die Bürger zur Stimmabgabe
aufgerufen. Sie konnten sich zwischen den fiktiven Parteien Druk Blau, Druk Grün, Druk Rot und
Druk Gelb entscheiden. Ersten Ergebnissen zufolge erhielt die Test-Partei »Gelber Donnerdrachen«,
die die Einheit des Landes durch die Bewahrung von Traditionen, Kultur und Werte sicherstellen will,
die meisten Stimmen. Am 28. Mai gehen die beiden erstplatzierten Parteien ins Finale. Dann werden
sich die Bürger für deren Scheinkandidaten entscheiden müssen.
Die Tests dienen der Vorbereitung auf die erste richtige Parlamentswahl im nächsten Jahr. Wähler
und Beamte sollen sich mit dem Ablauf der Wahlen und den aus Indien importierten elektronischen
Wahlgeräten vertraut machen. Beobachter der UNO und aus Indien verfolgten die erste
»Trockenübung«. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und Indien gewähren
Bhutan auf dem Weg zur parlamentarischen Demokratie umfassende Assistenz durch Ausbildung
von Mitarbeitern der Wahlkommission, Hilfe beim Erstellen von Wählerlisten, Lieferung von
Büroausrüstungen und Popularisierung des Demokratiekonzepts.
Das 100 Jahre alte Königshaus hat den behutsamen Demokratisierungsprozess selbst initiiert. König
Sigme Singye Wangchuck leitete den Wandel ein, als er 1981 Distriktentwicklungsräte und 1991
Gemeindekomitees bilden ließ, 1998 die absolute Herrschaft mit einem Ministerrat und einem
Beraterstab zu teilen begann. Im Jahre 2001 ordnete er die Ausarbeitung eines
Verfassungsentwurfs an und überraschte 2005 mit der Ankündigung, er werde in absehbarer Zeit
abdanken und seinem ältesten Sohn die Regentschaft übergeben. Bis dahin war es üblich, dass ein
»Druk Gyalpo« (Herrscher) bis zum Tode auf dem Thron blieb. Der Wechsel geschah im November
vorigen Jahres. Neuer, fünfter König ist seitdem der 27 Jahre alte unverheiratete Jigme Khesar
Namgyal Wangchuck, der in Oxford studierte und den Reformkurs seines Vaters fortsetzt.
Der aus 34 Paragrafen bestehende Verfassungsentwurf wurde inzwischen allen Familien übergeben
und soll nach einem noch in diesem Jahr stattfindenden Referendum in Kraft treten. Vorgesehen
sind ein Zweiparteiensystem, eine Nationalversammlung (Parlament) mit 75 Sitzen sowie ein
Nationalrat mit 25 Abgeordneten und dem König an der Spitze. Zu den ersten Parlamentswahlen
werden nur zwei Parteien zugelassen, um die Wähler nicht zu verwirren und die folgende Regierung
nicht zu sehr zu belasten. »Wir hoffen, dass Bhutan eines Tages eine Mehrparteiendemokratie wie
Indien wird. Gegenwärtig bevorzugen wir ein Zweiparteiensystem, wie es die USA haben«, erklärte
Chefrichter Lyonpo Sonam Tobgay.
* Aus: Neues Deutschland, 23. April 2007
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