Neuer Anschlag in Bhutan
Eine Vereinte Revolutionäre Front gibt erstmals politische Erklärung ab
Von Hilmar König, Delhi *
Zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen hat ein Sprengstoffanschlag die Vorbereitungen auf die für
März geplanten Parlamentswahlen im Königreich Bhutan gestört. Bereits am 20. Januar waren in
vier verschiedenen Orten Sprengkörper explodiert.
Diesmal ging die Bombe im südwestlichen Distrikt Samste in der Nähe eines Wahlbüros hoch.
Personen kamen nicht zu Schaden. Die Polizei entschärfte zwei weitere Sprengsätze und gab an,
»kommunistische Flugblätter« gefunden zu haben, auf denen davor gewarnt wird, die
Parlamentswahlen durchzuführen. Unklar blieb, ob es sich dabei um die Erklärung der Vereinten
Revolutionären Front Bhutans (URFB) handelt , die zeitgleich mit dem Sprengstoffanschlag
verbreitet wurde.
Die Front wurde erst im April 2007 gegründet und tritt für einen Wandel ein, von dem alle Bhutaner
unabhängig von ihrem ethnischen Hintergrund profitieren. Die URFB behauptet, die von König Jigme
Singye Wangchuck angekündigten und von seinem Sohn Jigme Khesar Namgyal Wangchuck
eingeleiteten Reformen des Übergangs von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie seien »in
Wirklichkeit kosmetischer Natur« und nutzten nur einer kleinen sozialen Schicht. »Im Namen der
Einführung von Demokratie festigt der König indirekt seine Macht«, heißt es in der Erklärung, die
zugleich kritisiert, dass der Vereinten Volkspartei Bhutans die Teilnahm an den Wahlen verweigert
wurde. Die beiden zugelassenen Parteien – Druk Phuensum Tshogpa (Bhutan Harmonie-Partei) und
Volksdemokratische Partei – würden von Verwandten und Vertrauten des Königs geführt, so dass
dessen absolute Macht unangetastet bliebe.
In dem Schreiben bekennt sich die URFB zu der Sprengstoffserie vom 20. Januar und bezeichnet
sie als »Beginn des Kampfes gegen das Regime«. Da der König Frieden und Aussöhnung mit den
Bürgern nepalischer Abstammung ablehne, bleibe nur der bewaffnete Kampf, um die autokratische
Macht zu beseitigen und eine Volksdemokratie zu etablieren. Die Wahlen im Dezember 2007 zum
Nationalrat (Oberhaus) und die angekündigten Parlamentswahlen seien eine Farce, die nicht
akzeptiert werden könne. »Wir wollen, dass die Wahlkommission die Wahlen aussetzt und die
beiden politischen Parteien ihre Kandidaten nicht ins Rennen schicken, bis alle nationalen Fragen,
besonders die Menschenrechte, Bürgerrechte, politischen Rechte und das bhutanische
Flüchtlingsproblem in Nepal, gelöst sind«, fordert die Front.
Seit 1991 leben in Flüchtlingslagern im Osten Nepals über 100 000 Bhutaner nepalischer
Abstammung. Eine Repatriierung lehnt das bhutanische Königshaus ab. Eine Reihe westlicher
Staaten, darunter die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Dänemark, Norwegen und die
Niederlande, hat deshalb die Emigration Tausender dieser Flüchtlinge angeboten.
Allerdings ist über
dieses Angebot heftiger Streit in den Lagern ausgebrochen. Die URFB appelliert in diesem
Zusammenhang an die Weltöffentlichkeit, sorgsam mit diesem Emigrationsangebot umzugehen,
damit das Recht der Bhutaner nepalischer Herkunft auf Rückkehr in ihre Heimat nicht untergraben
wird. Indien als engster Nachbar sollte nicht länger schweigend zuschauen, sondern sein Gewicht
als demokratische Supermacht in die Waagschale werfen, um das Volk Bhutans im Ringen um seine
Rechte zu unterstützen.
* Aus: Neues Deutschland, 6. Februar 2008
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