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Ein "Traumpaar" traf sich in Minsk

Ahmadinedschad bei Lukaschenko / Iran und Belarus wollen Zusammenarbeit verstärken

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Ehrenformation der Streitkräfte, Nationalhymne, Motorrad-Eskorte: Die Visite von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Belarus, die am Dienstag zu Ende ging, rangierte als offizieller Staatsbesuch.

Der Iraner genoss die ihm erwiesenen Ehrungen sichtlich. Denn sie werden ihm selten zuteil. Umso argwöhnischer blickt Moskau nach Minsk. Aus gutem Grund: Die Abkommen, die Ahmadinedschad mit Gastgeber Alexander Lukaschenko – »einer meiner besten Freunde« – unterzeichnete, sind eine Herausforderung an Russland und könnten darüber hinaus Folgen für das »westliche« Europa haben. Wirtschaftliche wie politische. Was bei Lukaschenkos Iran-Besuch im November bereits in Absichtserklärungen umrissen wurde, soll jetzt konkret Gestalt annehmen. Beide Staaten wollen den gegenseitigen Warenaustausch auf über eine Milliarde US-Dollar steigern. Unter anderem durch die Endmontage iranischer Pkw in Belarus. Vorrang indes hat die energiepolitische Kooperation. So soll Minsk an der Erschließung und Ausbeute eines iranischen Ölfelds beteiligt werden. Mittelfristig will Teheran Belarus sogar Ausrüstungen für ein Kernkraftwerk liefern.

Russische Experten bezeichneten beide Vorhaben als pures Wunschdenken. Iran habe Equipment und Know-how für sein Kernkraftwerk bei Buschehr so gut wie ausschließlich in Russland gekauft, gab Wladimir Dworkin vom Institut für Weltwirtschaft der Russischen Akademie der Wissenschaften in einem Interview für »Echo Moskwy« zu bedenken.

Auch sei Iran »in überschaubaren Zeiträumen« nicht in der Lage, Kernbrennstoff zu liefern. Die gegenwärtig verfügbaren Zentrifugen würden nicht einmal für die eigene Urananreicherung genügen. Teheran bluffe daher nur und wolle die internationale Gemeinschaft einschüchtern.

Andrej Sudalzew, der für den außenpolitischen Ausschuss des USA-Senats als Experte arbeitet, ist weniger optimistisch. Zwar hätten die Abkommen mittelfristig nur einen geringen praktischen Nutzwert. Umso mehr, da der Transport von iranischem Öl und Gas, mit dem Belarus sich von Energielieferungen Moskaus emanzipieren will, zunächst nur über das russische Pipelinesystem erfolgen kann. Lukaschenko und sein Gast würden daher momentan nur »mit Vertrauen handeln, von dem sie hoffen, es irgendwann in Geld konvertieren zu können«. Denn eigentlich sind Minsk und Teheran ein Traumpaar.

Weil die eigenen Verarbeitungskapazitäten nicht ausreichen, ist Iran dringend an neuen Abnehmern von Rohöl interessiert. Belarussische Raffinerien dagegen sind nach Kürzung der Importe aus Russland nicht ausgelastet. Beide Seiten hoffen daher, das in Belarus raffinierte iranische Öl auf dem europäischen Markt günstig verkaufen zu können, der um eine Diversifizierung der Lieferanten bemüht ist. Insbesondere die osteuropäischen EU-Neumitglieder, die erheblich mehr von russischem Öl abhängen. Haupthindernis sind dafür gegenwärtig die Demokratiedefizite in Minsk. Doch Lukaschenko hat Moskau durch sein Mauern beim russisch-belarussischen Unionsstaat und durch den Energiekrieg zu Jahresbeginn bereits so brüskiert, dass beider Verhältnis nachhaltig zerrüttet ist. Und damit dem Westen de facto ein Koalitionsangebot gemacht. Nur über den Preis müssen beide Seiten sich noch einigen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Mai 2007


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