Russland finanziert weißrussisches Atomkraftwerk
Nachbar Litauen und Umweltschützer der Region kritisieren das Vorgehen scharf
Von Bernhard Clasen *
Weißrussland baut ein neues AKW und Russland gewährt dafür einen hohen Kredit. Umweltschützer sind entsetzt.
Einen Kredit in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar mit einer Laufzeit von 15 Jahren gewährt Russland der weißrussischen Regierung für den Bau eines Atomkraftwerkes in der Nähe von Ostrowez bei Grodno, unweit der litauischen Grenze. Am Mittwoch unterzeichneten die russische Bank für Entwicklung und Außenwirtschaft (Vneschekonombank) und die weißrussische Belvneschekonombank den Vertrag.
Lange war man von einem niedrigeren Betrag ausgegangen. Noch im Januar 2011 hatte Russlands Premier Putin die Kosten des weißrussischen AKW mit sechs Milliarden Dollar beziffert.
Weißrusslands Regierung ist entschlossen, das Projekt um jeden Preis durchzusetzen. Eine eigens geschaffene Einheit des Innenministeriums werde bereits bei den Bauarbeiten das Gelände bewachen, berichtete der Oberkommandierende der Truppen des weißrussischen Innenministeriums, Waleri Gajdukewitsch, der Internetagentur »telegraf.by«.
Umweltschützer in Belarus und Russland laufen Sturm gegen das Kraftwerk. »Derzeit sollen drei Atomkraftwerke im grenznahen Gebiet gebaut werden: an der Grenze zu Litauen in Weißrussland, in der russischen Enklave Kaliningrad und ein neuer Reaktorblock vor den Toren von St. Petersburg. Allen drei Kraftwerken ist gemeinsam, dass sie auch für den Export von Atomstrom gebaut werden«, so der St. Petersburger Anti-AKW-Aktivist Raschid Alimow gegenüber »nd«. »Es kann doch nicht sein, dass die Bevölkerung von Russland und Weißrussland die Risiken der Atomenergie tragen muss und andere Länder den Strom konsumieren. Es ist an der Zeit, dass sich die westliche Umweltbewegung Gedanken macht, wie sie einen Import von Atomstrom aus Russland und Weißrussland verhindern kann«, sagte Alimow, der am Wochenende auf der Anti-Atom-Konferenz in Münster zu Im- und Export von Atomstrom und Atommüll spricht.
Alimows Verdacht, das weißrussische AKW werde für den Export produzieren, ist nicht von der Hand zu weisen: Bereits im Januar 2011 hatte Putin nach Angaben von »lenta.ru« die Hoffnung geäußert, Minsk könne einen Teil des Atomstroms exportieren.
Auch in Litauen ist man über die Pläne alles andere als begeistert: Am 17. März 2011 hatte das Parlament Litauens seine Beunruhigung über das nur 55 Kilometer von der litauischen Hauptstadt Vilnius geplante AKW artikuliert. »Das Kraftwerk ist gegen Flugzeugabstürze gesichert«, berichtete der Physiker Andrej Oscharowskij in einem Radiobeitrag. »Doch tatsächlich ist es nur gegen Abstürze von Flugzeugen mit einem Gewicht von 5,7 Tonnen geschützt. Über Ostrowez fliegen jedoch auch Flugzeuge mit einem Gewicht von 40, 70, 100, ja sogar 200 Tonnen.« Auch der Reaktortyp KKW-2006 beunruhige, so Oscharowskij. Bisher sei noch kein Reaktor dieses Typs in Betrieb.
Am 25. März 2011, fast 25 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl, das ein Viertel des weißrussischen Territoriums verstrahlt hatte, und nur zwei Wochen nach der Katastrophe von Fukushima hatten Sergej Kirienko, Chef der russischen Atomenergiebehörde, und der Energieminister Weißrusslands, Alexander Oserez, den Vertrag zum Bau des AKW Ostrowez unterschrieben. Das Kraftwerk, das 2017 ans Netz gehen soll, ist für eine Leistung von 2400 Megawatt konzipiert.
* Aus: neues deutschland, 3. Februar 2012
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