Rezepte gegen die Armut gesucht
Bangladesch: Sheikh Hasina Wajed gewinnt die Wahlen und will "der Nation dienen bis zum Tode"
Von Hilmar König, Neu-Delhi *
Die von Sheikh Hasina Wajed, der Chefin der Partei Awami Liga (AL),
geführte Mitte-Links-Allianz aus 15 politischen Parteien hat bei den 9.
Parlamentswahlen in Bangladesch am Montag einen überzeugenden Wahlsieg
errungen. Laut dem noch nicht offiziell bestätigten Ergebnis errang das
Bündnis 258 der 300 Parlamentssitze, während die aus vier Parteien
bestehende, von der konservativen Bangladesh Nationalist Party (BNP)
dominierte rivalisierende Koalition unter Khaleda Zia auf lediglich 31
Sitze kam.
AL-Sprecher Nur Alam Lenin kommentierte in Dhaka: »Unsere Führerin hat
zu einem Wandel aufgerufen, und darauf reagierten die Menschen.«
Fakhruddin Ahmed, der fast zwei Jahre lang der vom Militär gestützten
Interimsregierung als »Chefberater« vorstand, schätzte das Votum, an dem
sich fast 80 Prozent der 81 Millionen Wahlberechtigten beteiligten, als
»höchst friedlich, frei und fair« ein und drückte seine Hoffnung aus,
daß die neue Regierung »die Demokratie stärken« werde. Die Wahlverlierer
hingegen sprachen von einer »Menge Unregelmäßigkeiten« und wollen
Protest einlegen. In- und ausländische Wahlbeobachter teilen diese
Einschätzung allerdings nicht. Sie glauben, es habe sich um die bislang
saubersten Parlamentswahlen gehandelt.
Die 61 Jahre alte AL-Chefin ist nun Spitzenkandidatin für das Amt der
Ministerpräsidentin, das sie von 1996 bis 2001 schon einmal bekleidet
hatte. Sie ist die Tochter des Nationalhelden Sheikh Mujibur Rahman, der
das damalige Ostpakistan 1971 mit kräftiger indischer Assistenz in die
Unabhängigkeit führte. Der links-sozialdemokratisch geprägte »Vater der
Nation« hatte die Awami Liga (Volksliga) kurz nach der Aufspaltung des
südasiatischen Subkontinents im Jahre 1948 gegründet. Er wurde im August
1975 zusammen mit seiner Gattin und drei Söhnen bei einem Militärputsch
ermordet. Hasina und ihre Schwester hielten sich damals im Ausland auf.
Während ihrer Amtszeit pflegte Sheikh Hasina, die mit dem
Nuklearwissenschaftler M.A. Wajed Mian verheiratet ist und zwei in den
USA lebende Kinder hat, das gute Verhältnis zum Nachbarn Indien. In
dieser Zeit wurde auch das bedeutsame Abkommen zur Aufteilung des
Gangeswassers mit Delhi abgeschlossen. Unter Khaleda Zia, die zweimal
Regierungschefin war und den islamischen Charakter der bangladeschischen
Gesellschaft hervorhob, verschlechterten sich jedes Mal die Beziehungen
zum westlichen Nachbarn.
Sheikh Hasina befürwortet ökonomische Liberalisierung und
Privatisierung. Wie sie mit den Folgen der globalen Finanz- und
Wirtschaftskrise umgehen will, blieb undeutlich. Und auch sonst bietet
sie kaum Rezepte, um eine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu
erreichen. Bangladesch gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und ist
wegen seiner geographischen Lage zudem in besonderem Maße vom
Klimawandel betroffen. In der Wahlkampagne der siegreichen Allianz waren
die Bekämpfung der Massenarmut, der Korruption und islamischer Militanz
sowie Preissenkungen für Grundnahrungsmittel und Erneuerung der
demokratischen Strukturen Hauptpunkte. Nach dem Wahlsieg forderte Sheikh
Hasina die Rivalen um Khaleda Zia auf, das Ergebnis zu akzeptieren und
nicht die blutige Konfrontation zu wiederholen, die in vergangenen
Jahren Wahlen folgte. Sie wolle die »Nation lächeln sehen und dem Land
bis zum Tode dienen«.
* Aus: junge Welt, 31. Dezember 2008
Rückkehrerin
3000 Anhänger feierten sie am Donnerstag vor ihrem Haus in Dhaka: Sheikh Hasina Wajed und ihre
von der Awami-Liga (AL) geführte Wahlallianz aus 15 politischen Parteien haben die
Parlamentswahl am 29. Dezember haushoch gewonnen. Die AL-Chefin wird also wieder das Amt
der Premierministerin übernehmen. Die 61 Jahre alte Politikerin bekleidete diese Funktion bereits
von 1996 bis 2001. Sie ist die Tochter des Nationalhelden Sheikh Mujibur Rahman, der das
damalige Ostpakistan 1971 mit kräftiger indischer Hilfe in die Unabhängigkeit führte. Der linkssozialdemokratisch
geprägte »Vater der Nation« hatte die Awami-Liga (Volksliga) kurz nach der
Aufspaltung des südasiatischen Subkontinents im Jahre 1948 gegründet. Er wurde im August 1975
zusammen mit seiner Gattin und drei Söhnen bei einem Militärputsch ermordet. Hasina und ihre
Schwester hielten sich damals im Ausland auf.
Während ihrer Amtszeit pflegte Sheikh Hasina, die mit dem Nuklearwissenschaftler M.A. Wajed
Mian verheiratet ist und zwei in den USA lebende Kinder hat, das gute Verhältnis zum Nachbarn
Indien. In dieser Zeit wurde auch das Abkommen zur Aufteilung des Ganges-Wassers geschlossen.
Zuletzt aber saß Sheikh Hasina ebenso wie ihre Dauerrivalin Khaleda Zia wegen
Korruptionsverdachts mehrere Monate in Haft. Erst im Sommer wurden beide wieder auf freien Fuß
gesetzt.
Sheikh Hasina befürwortet zwar ökonomische Liberalisierung und Privatisierung, sieht sich
angesichts der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nun jedoch vor enormen Herausforderungen.
Bangladesch gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und ist wegen seiner geografischen Lage
zudem besonders vom Klimawandel betroffen. In der Wahlkampagne der AL waren die Bekämpfung
von Massenarmut, Korruption und islamistischer Militanz sowie Preissenkungen für
Grundnahrungsmittel und Erneuerung der demokratischen Strukturen Hauptpunkte.
Nach dem Wahlsieg forderte Sheikh Hasina ihre Rivalin Zia auf, das Ergebnis zu akzeptieren und
nicht die blutige Konfrontation zu wiederholen, die auf Wahlen in der Vergangenheit folgte. Sie wolle
die »Nation lächeln sehen und dem Land bis zum Tode dienen«, versicherte sie.
Hilmar König
** Aus: Neues Deutschland, 2. Januar 2009
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