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Wird Bangladesch-Wahl verschoben?

Hauptparteien auf gegensätzlichen Positionen. Interimsregierung unentschlossen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Ob nach sieben Jahren in Bangladesch wieder Parlamentswahlen – vorgesehen für den 18. Dezember – stattfinden, ist zur Stunde noch ungewiß. Die beiden stärksten Parteien, Bangladesh Nationalist Party (BNP) und Awami League (AL), nehmen gegensätzliche Positionen ein. Expremier Khaleda Zia hat am Montag der vom Militär gestützten Interimsregierung ein aus mehreren Punkten bestehendes Ultimatum gestellt. Die wichtigste Forderung darin lautet, umgehend den Ausnahmezustand zu beenden. Darüber sollte Regierungschef Fakhruddin Ahmed innerhalb von 48 Stunden entscheiden. Von dessen Urteil hänge ab, ob sich die BNP und ihre Vier-Parteien-Allianz an den Parlamentswahlen beteiligt. Für diese müsse ein neuer Zeitrahmen festgelegt werden. Die Wahlkampagne unter den jetzigen Bedingungen, so ein BNP-Sprecher, sei eine Farce, die Interimsregierung wolle lediglich Scheinwahlen, um ein Marionettenregime zu installieren.

Auch die Awami Liga will ein Ende des Ausnahmezustands, knüpft aber keine Bedingungen an diese Forderung. Ihre Vorsitzende, Expremier Hasina Wajed, war unter begeisterter Anteilnahme ihrer Anhänger in der ersten Novemberwoche in die Heimat zurückgekehrt. Sie hatte sich fünf Monate lang zur medizinischen Behandlung in den USA aufgehalten. In ihrer ersten Stellungnahme auf dem Airport von Dhaka stimmte sie den Wahlen im Dezember zu, um möglichst schnell die politische Ungewißheit zu beenden. Es gebe »keine Alternative für Wahlen zu diesem Zeitpunkt. Nur eine gewählte Regierung kann das Land aus der gegenwärtigen Krise führen«, sagte sie. Jedes Manöver und jede Verschwörung müßten entschieden zurückgewiesen werden. Damit kann sie wohl nur den politischen Hauptrivalen BNP gemeint haben.

Regierungssprecher Hossain Zillur Rahman äußerte sich bislang nur vage zu der Kontroverse: Über ein Ende des Ausnahmezustands könne man nachdenken, »wenn sich das Wahlumfeld problemslos entwickelt«. Ansonsten bleibt Ahmeds Administration dabei, daß alle politischen Parteien für den Restaurierungsprozeß der Demokratie gebraucht werden. Alle sollten an einem Strang ziehen und so ein friedliches und glaubwürdiges Votum sichern. Und Wahlkommissar Sakhawat Hossain erklärte, eine Verschiebung der Wahlen würde gegen gerichtliche Festlegungen verstoßen. Dennoch glauben politische Beobachter, das sei das kleinere Übel und halten Wahlen zu einem späteren Zeitpunkt nicht für ausgeschlossen. Niemand wagt vorherzusagen, ob nicht dann die Awami Liga zum Boykott aufruft.

Beide Parteien sind sich nämlich spinnefeind, und ihre Führerinnen haben wegen persönlicher Animositäten seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr miteinander gesprochen. Deshalb ist auch kaum jemand in Dhaka geneigt, die kürzlich bekundete Bereitschaft der beiden Frauen zu einem Treffen für bare Münze zu nehmen.

Die von Aktivisten der BNP und der AL im Winter 2006 angezettelte blutige Gewalt hatte Parlamentswahlen im Januar 2007 verhindert und die Machtergreifung der Interimsregierung ermöglicht. Hasina Wajed und Khaleda Zia wurden im Zuge der von Fakhruddin Ahmed initiierten Antikorruptionskampagne inhaftiert und angeklagt, kamen jedoch in diesem Sommer gegen Kaution auf freien Fuß. Damit wollte das Regime die Teilnahme beider Parteien am Dezembervotum absichern.

* Aus: junge Welt, 19. November 2008


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