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Generäle befehlen "Reformen"

Bangladeschs Interimsregierung scheut sich, Termin für Parlamentswahlen zu fixieren

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Während die ersten schweren Monsunniederschläge den Nordosten Bangladeschs heimsuchen und bisher über 80000 Menschen zum Verlassen ihrer Dörfer zwangen, hält die Interimsregierung unter ihrem »Chefberater« Fakhruddin Ahmed auch am politischen Ausnahmezustand fest. Die Versammlungsfreiheit ist seit ihrer Installierung durch das Militär im Januar suspendiert, politische Aktivitäten sind verboten, die Medien müssen sich Restriktionen gefallen lassen, und den politischen Parteien hat das Regime »innere Reformen« empfohlen. Diese zielen darauf, die beiden Führerinnen der Bangladesh Nationalist Party und der Awami-Liga politisch kaltzustellen.

Ahmeds Regierung hat eine landesweite Antikorruptionskampagne initiiert, in deren Ergebnis bislang 170 Politiker in Untersuchungshaft sitzen. Der gesamte Kurs firmiert unter dem geflügelten Wort »Reformierung« der Gesellschaft. Bis zum Ende nächsten Jahres sollen die »Säuberungen« abgeschlossen sein, daß freie und faire Parlamentswahlen stattfinden können. Wie diese ohne politische Aktivitäten vorbereitet werden können, bleibt allerdings das Geheimnis des »Chefberaters« und der Generäle. Schon kursiert die Auffassung, Ahmed wolle die alte politische Elite, die mit ihrem zügellosen Machtkampf in Bangladesch tatsächlich viel Schaden anrichtete, durch eine neue ersetzen, die nicht nur als Marionette des Militärs fungiert, sondern sich auch auf traditionelle Art und Weise bereichert. Daß die Regierung in Dhaka sich scheut, ein verbindliches Datum für die Parlamentswahlen zu nennen, macht sie in den Augen in- und ausländischer Menschenrechtler verdächtig, eigene Ziele zu verfolgen.

Auch wenn es nicht das Verdienst der gegenwärtig Herrschenden in Dhaka ist, paßt in ihre »Säuberungskampagne«, daß zu Wochenbeginn einer der Mörder des ersten Premiers im unabhängigen Bangladesch von den USA ausgeliefert wurde. Der inzwischen 60 Jahre alte Exmajor Mohiuddin Ahmed hatte mit einem Dutzend anderer Offiziere am 15. August 1975 Sheikh Mujibur Rahman und 26 Familienangehörige, Mitarbeiter und Sicherheitsleute bei einem Putsch ermordet. »Mujib« hatte 1971 mit den Guerilleros der »Mukti Bahini« Bangladeschs Unabhängigkeit von Pakistan erkämpft und gilt seitdem als »Vater der Nation«.

Von den Putschisten, die alle 1998 zum Tode verurteilt wurden, sitzen mit Mohiuddin Ahmed nun fünf im Gefängnis. Sie waren in den 1970/80er Jahren von den nachfolgenden Militiärregierungen rehabilitiert und mit diplomatischen Posten im Ausland »belohnt« worden. Mohiuddin Ahmed erfreute sich eines Botschafterstatus im Nahen Osten, ehe er 1996 bei Prozeßbeginn mit einem Touristenvisum in die USA einreiste, wo er bis jetzt illegal lebte. Sein Gesuch, in Kanada politisches Asyl zu bekommen, wurde von Ottawa abgelehnt. Den Prozeß gegen die Mörder hatte Mujibur Rahmans Tochter, die damalige Ministerpräsidentin Hasina Wajed, angeordnet, die zum Zeitpunkt des Massakers mit einer Schwester in Europa weilte. Beide überlebten deshalb als einzige der Familie. Hasina Wajed ist die Führerin der Awami-Liga, gegen die die jetzige Regierung schwere Vorwürfe wegen Amtsmißbrauchs und Korruption erhoben hat.

Aus: junge Welt, 22. Juni 2007


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