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Putsch vereitelt

Bangladeschs Armeeführung macht gescheiterte Umsturzpläne öffentlich

Von Thomas Berger *

In Bangladesch verdichten sich die Erkenntnisse, daß es gelungen ist, einen Militärputsch zu verhindern. Zwischen Mitte Dezember und Anfang Januar soll eine Gruppe aktiver und ehemaliger Offiziere der mittleren Ebene versucht haben, einen Staatsstreich gegen Premierministerin Sheikh Hasina Wajed zu organisieren. Mehrere der Beteiligten sind mittlerweile in Haft, doch mindestens einer der mutmaßlichen Drahtzieher der schon im Ansatz gescheiterten Aktion befindet sich noch auf der Flucht. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag (19. Januar) hat Armeesprecher Brigadegeneral Muhammad Mashud Razzaq im Beisein weiterer Vertreter der obersten militärischen Führung die Öffentlichkeit über bisherige Ermittlungsergebnisse unterrichtet.

Unklar ist allerdings, ob die Armee bei dieser Gelegenheit wirklich alle Erkenntnisse publik gemacht hat, die ihr zum jetzigen Zeitpunkt vorliegen. Als weitgehend gesichert darf zumindest gelten, daß es sich um einen Personenkreis handelt, welcher der zunehmend einflußreichen radikalislamischen Szene angehört. Die streng religiösen Offiziere fühlten sich demnach offenbar durch jüngste Gesetze und Verfassungsänderungen zum »Handeln« bemüßigt. Durch die neuen Bestimmungen soll der Einfluß des Islam in einigen Bereichen begrenzt werden, auch wenn er weiterhin Staatsreligion bleibt.

Nicht nur die wichtigste Opposi­tionskraft, die rechtskonservative Bangladesh Nationalist Party (BNP) von Hasinas Erzrivalin Begum Khaleda Zia und ihr noch extremerer, schon fundamentalistisch zu nennender Bündnispartner Jamaat-e-Islami benutzen die Religion als Waffe in der innenpolitischen Auseinandersetzung mit der liberalen Regierungskoalition der Awami-Liga. Es gibt auch eine ganze Reihe ultraradikaler Gruppierungen, die bei Bedarf auf Gewalt und Terrorakte setzen.

Ob zwischen diesen Kreisen und den verhinderten Putschisten Verbindungen bestanden, ist noch nicht bekannt. Als Hauptverdächtige werden drei Männer genannt. Major Zakir und Oberstleutnant Ehsan Yusuf, zwei ehemalige Offiziere, befinden sich in Haft und werden verhört, um weitere Informationen zum Ausmaß der Verschwörung zu erhalten, die insgesamt 14 bis 16 Offiziere umfassen soll. Eine weitere Schlüsselfigur ist offenbar Major Syed Mohammad Ziaul Haque alias Major Zia, der allerdings untertauchen und sich seiner Festnahme bisher entziehen konnte. Nach ihm wird mit Hochdruck gefahndet. Zakir und Ehsan waren von anderen Militärangehörigen angezeigt worden, als diese von den beiden Männern kontaktiert wurden, sich an den Putschplänen zu beteiligen. Doch selbst in den Tagen nach dem Jahreswechsel, als die Verschwörung damit im Grunde schon aufgeflogen war, soll Major Zia weiter versucht haben, Mitstreiter zu gewinnen.

Die jetzige Pressekonferenz ist auch als Schritt von Regierung und Armeeführung zu sehen, um sich greifenden Gerüchten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Oppositionschefin Khaleda Zia hatte bei einer Kundgebung am 9. Januar das »Verschwinden von Armeeangehörigen« thematisiert. Ebenso waren Major Zias diffuse Facebook-Ankündigungen, es werde »in Kürze Veränderungen geben«, von einer Zeitung und einer illegalen islamistischen Organisation weitergetragen worden. Vor diesem Hintergrund schien Offenlegung geboten, und zumindest Armeesprecher Razzaq versichert, die eigentliche Gefahr eines Staatsstreiches sei nun ausgeräumt.

* Aus: junge Welt, 23. Januar 2012


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