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Opposition treibt Ahmed in die Enge

Rücktritt des "Chefberaters", Ausnahmezustand und Wahlverschiebung in Bangladesch

Von Hilmar König, Delhi *

Nach langen harten Auseinandersetzungne hat sich in Bangladesch die Oppostion mit ihren Forderungen weitgehend durchgesetzt.

Präsident Iajuddin Ahmed hat das Handtuch geworfen: In der Nacht von Donnerstag zu Freitag trat er als »Chefberater« der Interimsregierung zurück. Dieses Amt entsprach dem eines Premierministers für die Übergangsperiode bis zu Parlamentswahlen.

Zuvor jedoch verhängte das Staatsoberhaupt den Ausnahmezustand über das Land und rief für unbestimmte Zeit eine Ausgangssperre von 23 bis fünf Uhr aus. Bereits am Mittwoch waren 60 000 Soldaten mobilisiert worden, die Ruhe, Ordnung und Sicherheit gewährleisten sollen. Ahmed betonte in einer von Rundfunk und Fernsehen übertragenen Rede an die Nation, das Militär werde keinerlei Rolle in der zu konstituierenden neuen Interimsregierung spielen.

Die Mitglieder des Kabinetts traten zurück. Neuer Interimsregierungschef wurde der frühere Zentralbankchef Fakhruddin Ahmed Die für den 22. Januar vorgesehenen Parlamentswahlen werden später stattfinden.

Präsident Ahmed gab in seiner Erklärung zu, dass alle seine Entscheidungen und Schritte nach seiner Amtsübernahme am 29. Oktober 2006 von den Parteien nicht anerkannt worden waren. Politische Animositäten, Misstrauen und Gewalt hätten das Leben der Bürger schwer beeinträchtigt und die Zukunft der Demokratie in Frage gestellt. Die Lage sei von Instabilität, Ungewissheit und Disziplinlosigkeit geprägt. Deshalb habe er sich zum Rücktritt und zur Ausrufung des Ausnahmezustands entschlossen. Ein Pressesprecher in Dhaka ergänzte: »Die Wahlen werden verschoben. Der Präsident will Wahlen, die von allen politischen Parteien zu Hause und vom Ausland akzeptiert werden. Die Wählerlisten werden korrigiert.«

Am Donnerstag hatte die EU entschieden, ihre Beobachtermission für die Parlamentswahlen in Bangladesch zu suspendieren, weil es diesen an Glaubwürdigkeit mangele. Auch die UNO stellte ihre technische Unterstützung für den Wahlprozess vorerst ein.

Eine starke von der Awami-Liga geführte Parteienallianz hatte von Anfang an Präsident Ahmed in seiner selbsternannten Funktion als »Chefberater« attackiert und ihm Parteilichkeit und Nähe zur Bangladesh Nationalist Party (BNP) unterstellt, die bis zum 29. Oktober regierte. Mit wiederholten Protestaktionen, Streiks und Blockaden, die meistens von gewaltsamen Ausschreitungen begleitet waren und seit Anfang November 45 Menschen das Leben kosteten, machte die Allianz Druck. schließlich verkündete sie Anfang des Jahres, sich nicht an den Parlamentswahlen zu beteiligen, da diese eine Farce seien und der Regierungschef nicht neutral, sondern per Diktat der BNP handele. für die kommenden Tage war eine erneute Protestwelle geplant, mit der das »Wahltheater« verhindert werden sollte.

Mit seinem Rücktritt als »Chefberater« erfüllte Amed die wichtigsten Forderungen der Allianz, darunter die Korrektur des nationalen Wählerregisters und die Verschiebung des Wahltermins. Wenn der neue amtierende Ministerpräsident Ahmed nun umsichtig und unparteiisch handelt, könnte sich die Lage so beruhigen, dass es in absehbarer Zeit zu fairen und freien Parlamentswahlen kommt. Viel wird freilich davon abhängen, wie die BNP und die mit ihr verbündete fundamentalistische Partei Jamaat-e-Islami auf die jüngste Entwicklung reagieren. Beide hatten Ahmeds Kurs als Interimspremier gutgeheißen und sich angesichts des Boykotts der Allianz bereits als Wahlsieger betrachtet. Nun werden die Karten neu gemischt.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Januar 2007


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