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Bangladeschs Opposition revoltiert

Awami-Liga und ihre Allianz drohen, das Land über Wochen lahm zu legen

Von Hilmar König, Delhi *

Bangladeschs 19-Parteien-Allianz will Übergangsregierungschef Iajuddin Ahmed durch eine dreitägige Verkehrsblockade zum Rücktritt zwingen.

Gegen die Teilnehmer des am Sonntag begonnenen Massenprotestes gingen 12 000 Polizisten und andere Sicherheitskräfte mit Tränengas und Gummigeschossen vor. Mindestens 50 Menschen sollen dabei verletzt worden sein. Tausende Demonstranten, mit Steinen und Stöcken bewaffnet, besetzten in der Hauptstadt Dhaka Verkehrsknotenpunkte. Fahrzeuge und Eisenbahnen wurden gestoppt, Schulen und Geschäfte blieben geschlossen.

Nicht nur in Dhaka, auch in der Hafenstadt Chittagong und anderen Städten erstarb das öffentliche Leben. Am heutigen Dienstag will die von der Awami-Liga geführte Allianz gar den Zugang zum Präsidentensitz in Dhaka sperren und damit der Forderung nach Rücktritt des provisorischen Regierungschefs Nachdruck verleihen. Schon vor den Massenprotesten waren über 1000 Aktivisten der Allianz festgenommen und ein Versammlungsgebot verhängt worden.

Die seit Ende Oktober 2006 schwelende Krise spitzt sich damit weiter zu. Am Mittwoch voriger Woche verkündete die Allianz den Boykott der Parlamentswahlen am 22. Januar. Gleiches entschieden die Partei des früheren Präsidenten Hossain Mohammad Ershad und die Liberaldemokraten unter Expräsident Badruddoza Chowdhury. Die Parteien beschuldigen Iajuddin Ahmed, die Nationalistische Partei (BNP) von Begum Khaleda Zia zu begünstigen, deren Amtszeit als Ministerpräsidentin am 29. Oktober 2006 endete. Man habe Übergangsregierungschef Ahmed genügend Zeit gelassen, seine Neutralität zu beweisen. Doch er habe versagt und handle auf Diktat der BNP. Unter solchen Verhältnissen könne von fairen Parlamentswahlen keine Rede sein.

Die wichtigsten Forderungen der Allianz wurden in der Tat nicht erfüllt: BNP-treue hohe Beamte blieben auf ihren Posten, das Wahlsystem blieb unverändert, eine angeblich vorgenommene Korrektur des Wählerregisters wurde nicht veröffentlicht. Ahmed lehnte auch eine Verschiebung der Wahlen ab, weil das den Verfassungsrahmen sprengen würde. An Rücktritt denkt er schon gar nicht.

Sheikh Hasina Wajed, die Vorsitzende der Awami-Liga, erklärte, man wolle diesem »Wahltheater« keine Legitimität verleihen. AL-Sprecher Abdul Jalil äußerte: »Wir werden das Land für Wochen lahm legen, wenn die Regierung an ihren Absichten festhält.«

Die BNP und ihre Verbündeten begannen dagegen mit ihrer Wahlkampagne. Sie haben am Kurs von Ahmed nichts auszusetzen und behaupten, die Awami-Liga und deren Allianz befürchteten eine Wahlniederlage. Das sei der Grund für Boykott und Proteste.

Die Zeichen stehen also auf Konfrontation, die in Bangladesch gewöhnlich mit Gewalt einhergeht. Die EU rief bereits alle Seiten auf, an einer Lösung zu arbeiten, die den Rechten und Erwartungen der Menschen entspricht und demokratischen Standards genügt. Mohammad Ali, der amtierende Vorsitzende der Föderation der Industrie- und Handelskammern Bangladeschs, warnte auf einem Treffen mit Geschäftsleuten: »Politische Unruhen und Intoleranz werden das Rückgrat der Wirtschaft unserer armen Nation brechen und zum Kollaps der Exporte führen.«

* Aus: Neues Deutschland, 10. Januar 2007


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