Suche nach Opfern in Bangladesch dauert an
Nach Meuterei noch 72 Offiziere vermisst
Von Hilmar König, Delhi *
Die dreitägige Staatstrauer für die Opfer einer Meuterei der Grenzsicherheitskräfte in Bangladesch
(BDR) endete am Sonntagabend (1. März). Bislang wurden 76 Tote identifiziert, überwiegend Offiziere der
Armee. 72 Offiziere wurden am Sonntagmorgen noch vermisst.
In Dhaka geht die Suche nach Opfern weiter. Rettungshelfer und Sicherheitskräfte pflügten am
Sonntag die Rosengärten auf dem Kasernengelände der Grenzschutzeinheiten um. Verzweifelte
Angehörige von Vermissten sahen zu, die Grabungen wurden im Fernsehen direktübertragen. »Wir
werden alle Winkel jedes Hauses absuchen und jeden Garten umgraben«, versicherte ein
Verantwortlicher. »Die Suche geht weiter, bis der letzte vermisste Offizier gefunden ist.« Es sei
»jenseits aller Vorstellung, dass ein Mensch einem anderen so etwas antun kann«. Am Freitag (27. Feb.) hatten die Bergungshelfer mehr als 60 Tote in einem Massengrab und in Abflussrohren und
Schächten entdeckt.
Der Aufstand der Grenzschützer hatte am Mittwoch voriger Woche (25. Feb.) begonnen und dauerte bis zum
späten Donnerstag. Premierministerin Sheikh Hasina Wajed hatte den Rebellen eine Amnestie
zugesichert, inzwischen jedoch klargestellt, dass »alle, die sich am Töten, Meutern, Brandschatzen
und anderen verbrecherischen Akten beteiligten, zur Rechenschaft gezogen werden.« Ein
Sondertribunal werde das Gemetzel untersuchen. Unter den in zwei Massengräbern und im
Abwassersystem des Kasernenkomplexes gefundenen Ermordeten befanden sich auch der BDROberbefehlshaber
Generalmajor Shakil Ahmed und dessen Gattin. Seit Freitag wurden über 250
Soldaten festgenommen.
Die mehrere hundert Aufständischen hatten das BDR-Hauptquartier in Dhaka gestürmt, zahlreiche
Offiziere getötet und andere als Geiseln genommen. Die Meuterer forderten eine Verbesserung ihrer
Dienstbedingungen, eine Solderhöhung sowie ein Auswechseln der Kommandeure. Diese sollten
künftig nicht mehr Armeekader sein, sondern Zivildienstbeamte. Die Meuterei hatte sich schnell auch
auf die Städte Jessore, Chittagong, Sylhet, Rajshahi, Khulna und Feri ausgedehnt.
Die unteren Ränge der etwa 70 000 BDR-Kräfte verdienen etwa 100 Dollar im Monat, beträchtlich
weniger als die Soldaten der Streitkräfte. Und sie werden auch nicht bei den lukrativen UNMissionen
berücksichtigt. Sie sollen laut Medienberichten aus Dhaka stark von der Dschihad-
Ideologie der Jamaat-e-Islami und Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh beeinflusst sein.
Premierministerin Sheikh Hasina Wajed versprach den Rebellen, die Forderungen ernsthaft zu
prüfen. Sie setzte von Anfang an darauf, das Problem durch Verhandlungen mit einer Abordnung
der Aufständischen zu bereinigen, und verzichtete auf den Einsatz des Militärs. Doch erst nachdem
sie am Donnerstag im Fernsehen zu ihren Landsleuten gesprochen hatte, legten die Meuterer ihre
Waffen nieder. Für den Fall, dass diese nicht aufgeben, hatte die Ministerpräsidentin »im Interesse
der Öffentlichkeit entschiedene Maßnahmen« angekündigt. Damit war ein Eingreifen des Militärs
gemeint.
Dhakas größte Tageszeitung »The Daily Star« hob in einem Leitartikel hervor, die Regierungschefin
habe durch ihr Vorgehen ein noch viel größeres Blutbad verhindert und ihren ersten Härtetest
bestanden. Sheikh Hasina Wajed ist erst seit gut einem Monat im Amt, nachdem sich ihre Awami-
Liga und das von ihr geführte 15-Parteienbündnis bei den Parlamentswahlen am 29. Dezember
2008 klar durchgesetzt hatten.
* Aus: Neues Deutschland, 2. März 2009
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