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Milliardenkredit aus Delhi

Premierministerin Bangladeschs zu Staatsbesuch beim indischen Nachbarn. Hauptthema der Beratungen: Bilaterale Sicherheitsfragen

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Als »historische Gelegenheit«, die Beziehungen zum Nachbarland Bangladesch noch enger zu gestalten, bezeichnete das indische Außenministerium den aktuellen Besuch von Premierministerin Sheikh Hasina Wajed in Indien. Am Montag (11. Jan.) unterstrich Neu-Delhi die Wertschätzung des Gastes, indem es die Politikerin mit dem »Indira-Gandhi-Friedenspreis« auszeichnete. Während des Festaktes unterstrichen beide Seiten die gemeinsame Geschichte, ähnliche Werte und Lebensstile der zwei südasiatischen Nachbarvölker.

Indien zeigt sich besonders angetan davon, daß Premier Wajed nach dem Regierungswechsel im vorigen Jahr in Dhaka ernsthaft damit begann, Führer von Rebellengruppen aus dem nordöstlichen Indien, die in Bangladesch Unterschlupf gefunden hatten, dingfest zu machen und auszuliefern. Sie versicherte während ihres Besuchs, diesen Kurs beizubehalten und keine Gruppen zu beherbergen, die sich »gegenüber Indien feindlich verhalten«. Daß der indische Regierungschef Manmohan Singh dem Gast einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Dollar in Aussicht stellte, werteten politische Beobachter als praktischen Dank für diese Haltung. Eine derartig kräftige Dollar-Spritze hat bislang noch kein anderes Land von Indien erhalten. Sie soll Bangladeschs Infrastruktur verbessern helfen, etwa beim Bau von Eisenbahnbrücken, beim Kauf von indischen Lokomotiven und schwerem Gerät zum Ausbaggern der Wasserwege, die Bangladesch netzartig durchziehen. So trägt Indien dazu bei, Hasina Wajeds »Vision 2021« zu verwirklichen. Dieses ehrgeizige Programm sieht vor, das rückständige Entwicklungsland zu transformieren, z.B. durch spürbare Senkung der Massenarmut, Zugang der Bedürftigen zu Bildung und Gesundheitsdiensten, Entwicklung der Agrarwirtschaft und des ländlichen Raumes, Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und Geschlechtergleichstellung.

Das Hauptthema der Staatsvisite bildeten bilaterale Sicherheitsfragen. Drei der fünf geschlossenen Abkommen beziehen sich auf die gemeinsame Bekämpfung von organisiertem Verbrechen, Terrorismus und Drogenhandel. Die indische Seite machte deutlich, daß diese Vereinbarungen über den bilateralen Rahmen hinaus der Sicherheit in der gesamten südasiatischen Region dienen. Die insgesamt erfolgreiche Visite vermochte freilich nicht, alle bestehenden Probleme zwischen den beiden Nachbarn auszuräumen. Dazu gehören eine gerechte Wasseraufteilung der grenzüberschreitenden Flüsse, die angestrebten Transitkorridore zwischen Bangladesch, Nepal und Bhutan sowie die Demarkation der Seegrenze im Golf von Bengalen. Dort werden reiche Öl- und Gasvorkommen vermutet. Bangladesch hat hier sogar inzwischen ein UNO-Gremium für Seerecht eingeschaltet, weil die bilateralen Verhandlungen bisher kein Resultat brachten. Es bleibt also noch viel zu tun, wenn Premier Wajed ihre in Neu-Delhi verkündete Absicht, das Verhältnis zu Indien »auf eine höheres Niveau« zu heben, einlösen will.

Während die Regierungschefin im Ausland weilte, reichten zu Hause drei der fünf zum Tode verurteilten ehemaligen Armeeoffiziere ein Gnadengesuch ein. Die Putschisten waren an der Ermordung des »Vaters der Nation«, Sheikh Mujibur Rahman, am 15. August 1975 beteiligt. Sechs der Mittäter setzten sich ins Ausland ab und sollen in Kanada, Pakistan und Libyen leben. Sheikh Mujibur Rahman, der Vater der Premierministerin, hatte 1971/72 das damalige Ostpakistan mit indischer Assistenz in die Unabhängigkeit geführt. Justizminister Shafiq Ahmed erklärte, die nach 35 Jahren endlich Verurteilten verdienten keine Gnade; allerdings werde der Staatspräsident dazu das letzte Wort sprechen.

* Aus: junge Welt, 13. Januar 2010


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