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Druck auf Textilexporteur Bangladesch wächst

USA streichen Zollerleichterungen, doch diese Maßnahme ist umstritten

Von Frederic Spohr, Bangkok *

Die US-Regierung streicht die Zollbegünstigungen für rund 5000 Importprodukte aus Bangladesch. Das Entwicklungsland soll dazu bewegt werden, die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche zu verbessern. Auch in der EU wird darüber nachgedacht.

Die schlimmste Industriekatastrophe Bangladeschs führt zu Konsequenzen. Über 1100 Menschen starben, als im April in der Nähe der Hauptstadt Dhaka eine Textilfabrik einstürzte. Die Arbeiterinnen hatten T-Shirts und Hemden für Modeketten aus der ganzen Welt produziert. Die Katastrophe warf ein Schlaglicht auf die miesen Arbeitsbedingungen, doch die Standards haben sich kaum verbessert. Jetzt erhöht die US-Regierung den Druck. Wie das Weiße Haus am Donnerstag bekannt gab, werden Handelserleichterungen für das Entwicklungsland gestrichen. Bangladesch muss künftig wieder Zölle für rund 5000 Importprodukte bezahlen. Als Grund gab Washington an, der nach China zweitwichtigste Textilexporteur habe keine Schritte unternommen, um international anerkannte Arbeiterrechte umzusetzen.

Die Regierung in Dhaka kritisierte die Entscheidung. »Es könnte keine schockierendere Nachricht für die Arbeiter in Bangladesch geben«, hieß es aus dem Außenministerium. Man arbeite daran, die Bedingungen in den Fabriken zu verbessern. Kritik kam auch von der »Kampagne für Saubere Kleidung«: Die wichtigsten Akteure, um Arbeiterrechte vor Ort durchzusetzen, seien die Auftraggeber. Die US-Regierung hätte zunächst die US-Unternehmen dazu bringen müssen, so in Bangladesch einzukaufen, dass gute Arbeitsbedingungen in den Zulieferfabriken möglich seien.

Die direkten Auswirkungen der neuen Handelspolitik dürften sich in Grenzen halten. Zwar machen Textilexporte mit knapp vier Milliarden Dollar den Löwenanteil der Ausfuhren in die USA aus. Von den gestrichenen Handelserleichterungen sind aber gerade einmal Waren im Wert von 19,1 Millionen Euro betroffen, etwa Plastiktüten und Golfartikel.

Dennoch könnte von der Entscheidung Signalwirkung ausgehen. Auch Brüssel denkt darüber nach, mittels Druck die Arbeitsbedingungen in Bangladesch zu verbessern. Mit Einfuhren im Wert von 9,2 Milliarden Euro ist die EU der größte Abnehmer von Textilien aus dem südasiatischen Land. Im Juli trifft sich die EU-Kommission mit Vertretern aus Bangladesch in Genf, dabei werden die Sicherheitsbedingungen in den Fabriken auf der Agenda stehen. Die EU könnte dann mit einem Ende der Handelserleichterungen für Textilien drohen, vermuten Beobachter. Ein Sprecher der EU begrüßte bereits den Schritt der USA.

Auch US-Großabnehmer reagieren inzwischen auf den öffentlichen Druck. So sollen Walmart und Gap kurz vor der Einigung über einen Fonds in Höhe von rund 40 Millionen Euro stehen. Mit dem Geld sollen die Sicherheitsstandards in den Fabriken verbessert werden. Die Unternehmen weigern sich, dem Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit beizutreten, das dutzende große Modeketten unterzeichnet hatten.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 29. Juni 2013


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