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Wütende Demonstranten

Tausende Arbeiter in Dhaka fordern Hinrichtung von Fabrikbesitzern *

Die Wut über den Einsturz eines Fabrikgebäudes hat sich in Bangladesch am 1. Mai in heftigen Protesten entladen: Zehntausende Arbeiter strömten am Mittwoch auf die Straßen der Hauptstadt Dhaka und forderten die Hinrichtung der Besitzer der fünf Fabriken, bei deren Einsturz womöglich mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen waren. »Hängt die Mörder, hängt die Fabrikbesitzer«, rief die Menge, die mit roten Bannern und Fahnen durch Dhaka zog. Trotz der Wut der Demonstranten blieb die Kundgebung aber anders als frühere Proteste, bei denen es heftige Zusammenstöße mit der Polizei gegeben hatte, weitgehend friedlich.

Seit dem Einsturz des achtstöckigen Gebäudes nahe Dhaka vor einer Woche wurden nach Armeeangaben 405 Todesopfer geborgen. Es würden noch immer 149 Menschen vermißt. Seit dem Unglück wurden bisher sieben Menschen, darunter der Besitzer des Gebäudes und mehrere Ingenieure, wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung festgenommen. Arbeiter hatten nach dem Unglück berichtet, das Gebäude sei nach der Entdeckung von Rissen am Vortag evakuiert worden, doch seien sie zur Rückkehr gezwungen worden. Viele der rund 4500 Textilfabriken des südasiatischen Landes sind seit einer Woche aus Protest gegen die oft mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen und schlechten Arbeitsbedingungen geschlossen.

Papst Franziskus verurteilte am Mittwoch die »Sklavenarbeit« in der Textilindustrie. »Die Schlagzeile, die mich am Tag der Tragödie in Bangladesch tief getroffen hat, war ›Leben mit 38 Euro im Monat‹. Das ist, was diesen Menschen gezahlt wurde, die gestorben sind. Das ist, was man Sklavenarbeit nennt«, sagte Franziskus laut Radio Vatikan. Wer Arbeit nicht ehrlich bezahle, weil er nur an seine Bilanzen denke und nur Profit zu machen suche, handele gegen Gott, sagte das katholische Kirchenoberhaupt.

Die EU-Kommission rief Bangladesch zum sofortigen Handeln auf, um internationale Sicherheitsstandards einzuhalten. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken böten sowohl sicherheits- als auch gesundheitstechnisch großen Anlaß zur Sorge, erklärten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Dienstag abend. Sie kündigten an, Maßnahmen zu prüfen, um Bangladesch bei der Umsetzung internationaler Standards zu unterstützen.

Knapp 60 Prozent der Textilproduktion aus Bangladesch wird zollfrei in die EU-Länder exportiert.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 2. Mai 2013


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