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Waffen für Bahrains Herrscher

Ein Jahr nach dem Aufstand ist die Menschenrechtslage im Golfstaat weiter prekär

Von Olaf Standke *

Vor einem Jahr erreichte die »Arabellion« auch das Golfemirat Bahrain. Der Protest wurde blutig niedergeschlagen, die Repression hält an. Doch die USA liefern Militärgüter.

Es klingt nach einem Treppenwitz der Geschichte, wenn Hamad bin Isa al-Chalifa dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad empfiehlt, auf sein Volk zu hören. Es sei Sache der Syrer, über einen Rücktritt des Machthabers zu entscheiden. Hamad bin Isa al-Chalifa ist König von Bahrain und hat vor einem Jahr selbst einen Aufstand in dem Golfstaat blutig niederschlagen lassen. Nach einer Volkszählung von 2001 sind 81,2 Prozent der 1,2 Millionen Einwohner des Emirats Muslime und Schätzungen zufolge über 70 Prozent davon wiederum Schiiten, die sich am 14. Februar 2011 mit ihrem Protest gegen die Regierung des sunnitischen Shaikh Chalifa erhoben haben. Einen Monat später war der Aufstand erstickt, mit Hilfe von etwa 1500 Soldaten und Polizeikräften aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Mindestens 35 Menschen wurden getötet.

Heute bedauert der Monarch die Opfer, bestreitet aber, dass es in dem Inselstaat überhaupt eine geschlossene Protestbewegung gebe - »so etwas steht nicht in unserer Verfassung«. Inzwischen ist diese Protestbewegung gleichsam umgezogen, vom Lulu-Platz im Finanzviertel der Hauptstadt Manama, wo das symbolträchtige Monument mit der stilisierten Perle zerstört wurde, in den Norden des Landes. Tausende skandieren hier in diesen Tagen auf dem Freiheitsplatz von Mughsha »Wir sind zurück« und verlangen die Freilassung von Oppositionellen.

Die Sitzblockade in dem kleinen Dorf Mughsha zeige die Entschlossenheit der Menschen, nicht zu den alten Verhältnissen zurückkehren zu wollen, betont Shaikh Aai Salman, Generalsekretär der größten Oppositionspartei Al-Wefak (Nationalislamische Gesellschaft). Die Reformen, die der König eingeleitet hat, gehen ihr nicht weit genug. Auf dem Papier ist Bahrain seit 2002 eine konstitutionelle Monarchie. Doch werden die Kompetenzen der gewählten Parlamentarier durch die zweite Kammer (Madschlis al-Schura) beschnitten, deren Mitglieder vom Herrscher ernannt werden.

Während der Protest in Mughsha weitgehend friedlich verlief, gab es andernorts gewaltsame Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten. Auch nach Niederschlagung des Aufstands sollen Aktivisten zufolge Dutzende Menschen getötet und Tausende festgenommen worden sein. Amnesty International forderte die Regierung auf, Ermittlungen aufzunehmen: »Die steigende Zahl von Toten und Augenzeugenberichte lassen auf einen völlig unangemessenen Einsatz von Tränengas in geschlossenen Räumen schließen«, sagte Hassiba Hadj Sahraoui, der AI-Vertreter in der Region. Allein im Januar sollen so neun Bahrainer ums Leben gekommen sein.

Das alles hindert Washington nicht, das Regime zu unterstützen - schließlich befindet sich dort die Basis der Fünften Flotte der US-Marine. Bahrain gilt als strategische Stütze der Supermacht in der Golfregion. So lässt die Obama-Regierung auch den »beschränkten Transfer« von Militärausrüstung zu. Doch selbst das vermittele die falsche Botschaft, sagt David Kramer, Vorsitzender der Organisation Freedom House. »Solange die Regierung Bahrains nicht die systematischen Menschenrechtsverletzungen beendet, uneingeschränkten Zugang zu Medien und internationalen Organisationen gestattet sowie sinnvolle politische Reformen einleitet, sollten die USA die Lieferung von Militärgütern nicht in Betracht ziehen.« Doch Washington will Kriegsgerät im Wert von 53 Millionen US-Dollar liefern. Der Deal umfasst u.a. 44 bewaffnete geländegängige Fahrzeuge, sogenannte Humvees, Antipanzerraketen und mobile Abschussrampen samt Material und Spezialausbildung.

Zwar erklärte die Obama-Regierung, man werde den Export verschieben, bis sich die Menschenrechtslage in Bahrain verbessert habe. Doch sickerte inzwischen durch, dass trotzdem diverse Rüstungsgüter geliefert wurden, die laut Außenministerium für die äußere Verteidigung Bahrains und die Unterstützung der Fünften Flotte nötig seien. Da ihr Wert unterhalb der vom Kongress zu genehmigenden Schwelle liegt, befürchten Kritiker, dass hier das ursprüngliche Volumen einfach in kleinere Einheiten aufgeteilt wird. »Es ist Heuchelei, wenn die US-Regierung einerseits Gewalt gegen Demonstranten in Syrien verurteilt, jedoch bei ähnlichen Vorkommnissen gegenüber Bahrain Nachsicht übt«, kritisiert Natalie Goldring, Friedensforscherin an der Georgetown-Universität in Washington.

* Aus: neues deutschland, 14. Februar 2012


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