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"Revolutionäre müssen verrückt sein"

Gespräch mit Dr. Said Shihabi. Über die Volksbewegung in Bahrain, die arabische Intifada und die Konterrevolution


Dr. Said Al-Shihabi ist Generalsekretär der »Bewegung Freies ­Bahrain«. Gegründet 1982, gilt sie als eine der ältesten Oppositionsbewegungen des Landes.


Wie läßt sich die Volksbewegung in Bahrain in den Gesamtprozeß der arabischen Intifada einordnen?

Meine These lautet, daß alle arabischen Revolutionen gewinnen oder alle arabischen Revolutionen scheitern werden. Daß die eine Revolution gewinnt, die andere verliert, halte ich nicht für wahrscheinlich. Auch die Gegner der arabischen Revolutionen arbeiten zusammen. Die Konterrevolution in Ägypten, Tunesien und Jemen unternimmt alle Anstrengungen, um den revolutionären Prozeß zu kanalisieren oder ganz zum Stillstand zu bringen. Keine dieser Revolutionen ist schon zu ihrem Abschluß gekommen.

Das ist eine interessante These. Die imperialistische Militärintervention in Libyen wird man jedoch kaum als eine arabische Revolution bezeichnen können. Es sei denn, man betrachtet den angloamerikanischen Einmarsch im Irak 2003 als Beginn des arabischen Umbruchs. Wie sind in diesem Zusammenhang die Ereignisse in Syrien zu bewerten?

Syrien stellt ein äußerst schwieriges Problem dar. Syrien ist nicht nur ein enger Verbündeter des Iran, sondern aller gegen den Zionismus gerichteten Befreiungskräfte in der Region. Hamas, Hisbollah, die PFLP – sie alle finden in Damaskus ihre Rückendeckung. Sie können sich nicht hinstellen und den Sturz des Baath-Regimes verlangen. Auch die Aufständischen in Jemen nicht. Denn auch Ali Mohammed, der frühere Präsident von Südjemen, lebt in Damaskus im Exil. Auf der anderen Seite hat auch das syrische Volk ein Recht auf Demokratie und auf den Kampf um Demokratie. Bedenklich wird es, wenn man sieht, wie der US-Botschafter die aufständischen Kräfte in Syrien umgarnt. Natürlich haben die Syrer ein Recht auf ein demokratisches Regime. Man kann aber auch nicht einen Regimewechsel befürworten, der sich nach amerikanischen Vorgaben vollzieht. Die imperialistische Einmischung geschieht ja nicht nur im geheimen, sondern mittlerweile ganz offen.

Ist der syrische Aufstand Ihrer Meinung nach Teil der arabischen Revolution oder Teil der Gegenstrategie des Imperialismus?

Ich glaube nicht, daß der Aufstand selbst von den Imperialisten geplant war. Mein Eindruck ist, daß die syrische Jugend ihr Recht auf ein sinnvolles, selbstbestimmtes Leben einforderte und daß es sich um eine mehr oder weniger spontane Erhebung gehandelt hat. Doch es ist auch offenkundig, daß der Westen massiven Einfluß auf die Geschehnisse genommen hat. Dann wurden Stimmen laut, die eine ausländische Intervention fordern, was eine offene Einladung zur Wiederholung dessen darstellte, was im Irak und in Libyen passiert ist. Sobald aber die USA und die NATO in die Ereignisse involviert sind, obliegt die Bestimmung der Richtung der arabischen Revolution nicht mehr ihr selbst. Dann bestimmen die anderen, wie es langzugehen hat.

Der Westen ist darum bemüht, den »arabischen Frühling« zu vereinnahmen. Als ließe sich der Aufruhr mit den Demokratieverheißungen der neokonservativen »Greater Middle East«-Strategen in Zusammenhang bringen. Wie sehen Sie das?

Die USA waren immer der wichtigste Unterstützer der reaktionären Kräfte in unserer Region. Ob der Schah von Persien oder die pakistanischen Generäle, ob Mubarak oder das saudische Königshaus, sie alle verdankten und verdanken ihre Macht der schützenden Hand aus Übersee. Kurz vor dem Sturz Mubaraks hat Obama gesagt: Wir wollen nicht auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Das hat bei vielen Menschen im arabischen Raum die Hoffnung geweckt, daß Washington am Ende des Tages doch noch seine Position ändert. Aber das ist leider nicht der Fall. Am deutlichsten wurde das in Bahrain sichtbar. Unser Land befindet sich mittlerweile unter saudiarabischer Besatzung. Wie damals im Kalten Krieg, als in osteuropäischen Ländern die Kommunistischen Parteien die Sowjettruppen zu Hilfe riefen, hat die herrschende Familie in Bahrain die saudiarabischen Truppen um die Niederschlagung der Volksbewegung gebeten. US-Präsident Obama meint auch noch, daß die bahrainische Regierung dazu berechtigt gewesen sei, um den Schutz saudischer Truppen zu ersuchen.

Am 12. März weilte US-Verteidigungsminister Gates in Bahrain, und am 13.März marschierten die Saudis ein – man kann sich vorstellen, was da besprochen wurde. Es kann als sicher angenommen werden, daß die Amerikaner den Einmarsch der Saudis gebilligt, wenn nicht sogar angeordnet haben. Man braucht sich nur daran zu erinnern, was mit dem Irak geschah, als er in Kuwait einmarschierte. Wir sind mit einer mächtigen Allianz konterrevolutionärer Kräfte konfrontiert. Dabei geht es nicht nur darum, den Aufstand in Bahrain abzuwürgen, sondern die arabische Erhebung als Ganzes einzudämmen. Die imperiale Allianz wird von Saudi-Arabien, Israel, Großbritannien und den USA gebildet. Es geht ihnen darum, eine wirkliche Demokratisierung der Region zu verhindern. Vor allem Israel fürchtet den Vormarsch der Demokratie im Nahen Osten, weil in dessen Ergebnis der Komplizenschaft der arabischen Regime mit dem zionistischen Staat ein Ende bereitet werden könnte.

Erzählen Sie uns bitte etwas über die historischen Hintergründe der Volksbewegung in Bahrain.

Das Entstehen einer Befreiungsbewegung in Bahrain geht auf das Jahr 1922 zurück. Sie ist damit eine der ältesten in der arabischen Welt. Sie war stets patriotisch, arabisch-nationalistisch. In ihr haben Schiiten und Sunniten immer zusammengearbeitet. Von konfessioneller Spaltung konnte keine Rede sein. Daß der Premierminister seit 1971, also 40 Jahre, im Amt ist, das Volk vom Bahrain somit von einer Gerontokratie beherrscht wird, wird auch von der sunnitischen Gemeinschaft nicht gutgeheißen. An die 70 Prozent der Führungsschicht entstammen der Herrscherfamilie. Die Wut auf das Regime ist im Laufe der Jahre immer größer geworden. In jedem Jahrzehnt gab es Erhebungen, die auf die Demokratisierung des Landes zielten.

In welcher Beziehung stehen die herrschenden Kreise zum Imperialismus?

Der heute noch herrschende Khalifa-Clan gelangte im neunzehnten Jahrhundert mit Hilfe der Briten an die Macht. Ähnliches geschah in anderen Emiraten – unter dem Deckmantel das »Antipiraten-Vertrages«. Es ging um den Schutz der britischen Handelswege nach Indien. Die Herrscherhäuser unterstanden der Britisch-Indischen Regierung. 1968 haben die Briten dann alle Truppen östlich von Suez zurückgezogen. Die USA übernahmen. 1971 erhielt Bahrain die formale Unabhängigkeit. Davor hatte der Iran Anspruch auf Bahrain erhoben, was von den Vereinten Nationen, die der Ansicht waren, daß die bahrainische Bevölkerung die Unabhängigkeit wünsche, zurückgewiesen wurde. Die Khalifa-Familie beansprucht ihre Legitimität aus der Verfassung von 1973, die freilich eine parlamentarische Demokratie vorsah. Doch diese Verfassung wurde 1975 eingefroren, was eine Phase schlimmster polizeistaatlicher Repression einleitete. Als Henker der bahrainischen Demokratie wurde der britische Kolonial­offizier Henderson ins Land geholt, der sich schon bei der Niederschlagung der Mau-Mau-Bewegung in Kenia einen Namen gemacht hatte. In den 1990er Jahren entstand eine sechs Jahre anhaltende Aufstandsbewegung. Wir sind deshalb auch nicht beunruhigt, daß der jetzige Aufstand zusammenbrechen könnte. Er dauert erst ein paar Monate, damals hielten wir sechs Jahre durch.

Wie ist es weitergegangen?

1999, nachdem der alte Emir gestorben war, ergab sich eine neue Situation. Die Amerikaner, die mit Bangen beobachtet haben, wie das Regime immer mehr unter den Druck der Massen geriet, rieten zu Reformen, um der Volksbewegung die radikale Spitze zu brechen. 2001 durfte die Bevölkerung über ein Reformprogramm abstimmen. Doch bereits 2002 wurde eine Verfassung verabschiedet, die in ihrem demokratischen Gehalt weit hinter die von 1973 zurückfiel und über die nicht abgestimmt wurde. Damals kam es zur Spaltung der Bewegung Freies Bahrain. Die eine Gruppe, die sich Al-Wifaq (Für den Konsens) nennt, zeigte sich bereit, am scheindemokratischen Prozeß teilzunehmen, die andere, die sich Haqq (Recht) nennt und der ich angehöre, entschied sich für den Boykott. Wir sehen überhaupt keinen Grund, dem König unsere Loyalität zu erweisen. Er wurde nicht gewählt, und er hat die 1973er Verfassung, die der Herrschaft der Khalifa-Familie wenigstens einen Schein von Legitimität verlieh, zur Gänze außer Kraft gesetzt. Durch die revolutionären Ereignisse in diesem Jahr fühlen wir uns in unserer Position bestätigt. Auch die reformistischen Kräfte haben eingesehen, daß demokratische Veränderungen auf der Grundlage des alten Regimes nicht zu haben sind.

Die Machelite in Bahrain ist sunnitisch, die Mehrheit der Bevölkerung sind Schiiten. Ist der Aufruhr somit ein konfessioneller Konflikt?

Nein. Es ist ein Konflikt zwischen der Elite und den Volksmassen. Diese Konstellation geht auf die britische Kolonialherrschaft zurück. Die Briten, ob in Südafrika, im Irak oder eben in Bahrain, haben stets ein Minderheitenregime installiert, auf dessen Loyalität sie zählten. Unter dem Druck der Mehrheit stehend, möchte das Regime in Bahrain die Herrschaft einer kleinen Elite sichern, indem es sich eine andere Gesellschaft schafft. Das geschieht durch Einbürgerungen. Jährlich werden Tausende Saudi-Araber, aber auch Syrer, Jordanier und Pakistani eingebürgert. Natürlich haben wir nichts gegen die Naturalisierung von Syrern, wenn sie bei uns arbeiten. Aber es bekommen auch Leute die Staatsbürgerschaft, die nicht einmal in Bahrain leben. Das Problem liegt in der Minderheitenherrschaft – der Herrschaft einer sunnitischen Elite über die schiitische Mehrheit. Nun will sich die herrschende Minderheit eine Mehrheit nach ihrem Ebenbild schaffen.

Das ist kein konfessionelles Problem. Bei uns herrscht kein feindseliges Verhältnis zwischen den Konfessionen wie etwa im Irak. Es handelt sich in Bahrain nicht um einen schiitischen Aufstand. Er richtet sich vielmehr gegen die Herrschaft eines Familienclans, der sich den Ölreichtum angeeignet und 90 Prozent der Küste in seinen Besitz genommen hat. Und das im 21. Jahrhundert. Auch die Sunniten rebellieren gegen das despotische Regime. Unter den Verhafteten sind Anführer beider Konfessionen. Der Konfessionalismus ist ein Instrument der Konterrevolution. Es war die Khalifa-Familie, die die konfessionelle Karte ausgespielt hat – gegen die Revolution. Um die Bewegung zu spalten, hat sich die Repression gezielt gegen die Schiiten gerichtet. Das kann auch nach hinten losgehen. Die bahrainische Fußballnationalmannschaft verlor unlängst 0:6. Das Debakel wurde dem Regime angelastet, da dieses darauf gedrängt hatte, Fußballer mit schiitischem Hintergrund, die sich an Demonstrationen beteiligt hatten, aus der Mannschaft zu eliminieren.

Funktioniert das Prinzip »Teile und herrsche« nicht mehr?

Auf längere Sicht verfehlt es seine Wirkung. Spätestens in der zweiten Generation werden auch die eingebürgerten Sunniten ihre Rechte einfordern. Ich glaube auch nicht, daß sich das Regime über materielle Zugeständnisse an die Massen noch retten kann. Bei der arabischen Erhebung geht es auch um die Würde. In einem modernen Staat muß der Mensch seinen Wert besitzen. Und man kann auch nicht das Volk gegen ein importiertes Volk eintauschen. In der arabischen Welt spricht man deshalb von einer Revolution der Würde. Es kann nicht länger angehen, daß sich 300 Millionen der Fremdbestimmung unterwerfen müssen.

Das Regime und Saudi-Arabien versuchen die Volkserhebung in Bahrain als eine von Teheran inspirierte und gesteuerte Bewegung darzustellen.

Nicht der Iran, sondern Saudi-Arabien nimmt massiv Einfluß auf unsere Entwicklung. Es gibt weder iranische Soldaten noch iranische Agenten in meinem Land. Die iranische Bedrohung ist eine Erfindung. Nicht die Iraner bombardieren unsere Moscheen, sperren unsere Ärzte ein, foltern unsere Kampfgefährten. Das sind unsere Herrscher, die von den Saudis und letztendlich von den Amerikanern, die genau wissen, was vor sich geht, unterstützt werden. Unsere Moscheen sind nicht an einem Tag zerstört worden, sondern im Laufe mehrerer Wochen. Zeit genug für den US-Botschafter, seine Stimme dagegen zu erheben. Das hat er nicht getan. Die Behauptung einer iranischen Verschwörung dient einzig dem Zweck, Zweifel an der Aufrichtigkeit unserer Revolution zu säen.

Neben Israel ist der Golf-Kooperationsrat der wichtigste regionale Verbündete der imperialen Mächte. Wird das von den revolutionären Kräften auch so wahrgenommen?

Die Geldmassen, die Saudi-Arabien als Hauptmacht der arabischen Konterrevolution in Bewegung setzen kann, üben eine korrumpierende Wirkung aus. Ein Beispiel: 1990 kam es zwischen den Saudis und britischen Waffenherstellern zum größten Waffendeal in der Geschichte im Wert von 43 Billionen Dollar. Die dabei eingesetzten Schmiergelder machten dieses Geschäft auch zum größten Korruptionsskandal in der Geschichte. Dessen Untersuchung wurde von Mister Tony Blair (damals britischer Premierminister – d.Red.) höchstpersönlich mit dem Hinweis unterbunden, daß die Saudis andernfalls aus dem Krieg gegen den Terror aussteigen würden. Wenn sich die älteste Demokratie von Riad erpressen läßt, wie stark wirkt sich dann erst die saudiarabische Geldmacht gegenüber den Habenichtsen in der Region aus? Bei den jüngsten Wahlen im Libanon hat das Königshaus Unmengen für die Unterstützung der von ihm favorisierten Kandidaten ausgegeben.

Geld regiert die arabische Welt?

Die arabische Reaktion unter Führung Saudi-Arabiens versucht unter Einsatz gigantischer Mittel das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Das wird ihr aber nicht gelingen.

Wie stellt sich die politische Landschaft in Bahrain dar?

In unserer Oppositionsbewegung gibt es, wie überall anders auch, radikale und gemäßigte Kräfte. Wenn sich eine revolutionäre Bewegung im Aufschwung befindet, besteht eines der wirksamsten Mittel der Konterrevolution im Ruf nach einem Dialog. Hat das Regime die Situation wieder unter Kontrolle, ist es mit dem Dialog auch schon wieder vorbei. Mit Mubarak gab es nichts mehr zu besprechen. Unsere Jugend bezog den gleichen Standpunkt. Sie wußte, daß ein Dialog dem Zweck unterworfen ist, die revolutionäre Dynamik zu brechen. Die eher arrivierten Kräfte hingegen suchten den Dialog. Doch der kann nur in eine Sackgasse führen. Kein Diktator gibt freiwillig seine Diktatur auf.

Die offiziellen Oppositionsparteien haben unlängst erklärt, sich von den radikalen Elementen trennen zu wollen.

Sie können niemanden aus dem politischen Prozeß ausschließen. Die Revolution ist von der Jugend ausgerufen worden, und die Jugendlichen sind immer noch deren aktivster Teil. Wie schon zuvor erwähnt, gibt es Kräfte, die innerhalb des Systems arbeiten wollten und solche, die es von außen bekämpfen. Uns wird oft entgegengehalten, daß gegen die Phalanx aus Regime, Saudi-Arabien und den USA nichts auszurichten sei. Darauf pflege ich zu antworten, daß Revolutionäre verrückt seien. Nimmt man die normale Logik zum Maßstab, ist es verrückt, sich gegen ein übermächtiges Militär behaupten zu wollen. Aber was ist schon logisch? Gandhi hat zu den Briten gesagt: Ihr werdet uns umbringen, aber unser Blut wird Euch umbringen.

Nicht wir, die uns dafür entschieden haben, das Regime von außen zu bekämpfen, mußten uns von denen, die das System von innen erneuern wollten, eines Besseren belehren lassen. Als unser Aufstand ausgebrochen war, waren sie es, die sich ihm anschlossen. Und jetzt sind sie es, die die Radikalen ausschließen wollen.

Wie stark ist die republikanische Bewegung in Bahrain?

Grundsätzlich meine ich, daß eine Diktatur nicht reformiert werden kann. Ich nenne den König auch nicht König, sondern Diktator. Es geht nicht so sehr um die Frage Monarchie oder Republik. Es geht um die Überwindung der Herrschaft eines Clans, der die Macht aus seiner engen Verbindung mit den Kräften der Fremdbestimmung bezieht. Die Menschen in Bahrain haben, wie überall auf der Welt, ein Recht darauf, selbst zu bestimmen, unter welchem System, unter welcher Verfassung sie leben wollen. Das Recht auf Selbstbestimmung ist ein universelles Recht und kein den Völkern bestimmter Regionen vorbehaltenes Recht.

Wie haben sich die Gewerkschaften während des Aufstandes verhalten?

Sie haben sich mit großem Enthusiasmus und machtvoll am Aufstand beteiligt und sehr effektiv agiert. Nach der Niederschlagung der Massenproteste gelang es dem Regime, durch Anwendung brutalster Repressalien die Gewerkschaften zu neutralisieren. Der Gewerkschaftsvorsitzende wurde, nachdem er sich geweigert hatte, seinen Streikaufruf zu widerrufen, kaum beschreibbarer Mißhandlungen ausgesetzt.

Nimmt die Volksbewegung in Bahrain Einfluß auf den schiitischen Aufstand im Osten Saudi-Arabiens?

Dieser Aufstand hat mit der Lage in Bah­rain nichts zu tun. Die Bürger der Ostregion sind ideologisch nicht von der wahhabitischen Staatsdoktrin beeinflußt. Das sowie ihre wirtschaftliche Benachteiligung in der ölreichsten Region Saudi-Arabiens nähren ihr rebellisches Bewußtsein. Doch sie sind eine Minderheit und deshalb auch nicht in der Lage, eine gesamtnationale Aufstandsbewegung anzuführen.

Wie schätzen Sie die Perspektiven der Volkserhebung in Ägypten ein?

In Ägypten wird über Erfolg oder Mißerfolg der arabischen Revolution entschieden. Hinter den Kulissen werden jede Mange Anstrengungen unternommen, die Bewegung zum Scheitern zu bringen. Aber ich glaube, daß das ägyptische Volk, vor allem die Jugend, die den Aufstand initiierte, nicht aufgeben wird.


Die »Bewegung Freies ­Bahrain« führte in den 1980er und 1990er Jahren wiederholt Aufstände gegen die Willkür des Regimes und für demokratische Rechte und Gleichheit im Land an. 2011 schloß sich die Bewegung der »Koalition für die Republik« an, die über die Reformforderungen hinaus den Sturz der Monarchie und die Errichtung einer demokratischen Republik fordert. Said Shihabi gilt als einer der unerbittlichsten Gegner des bahrainischen Regimes. Er nahm an den ersten Protestbewegungen 1975 gegen das Einfrieren der Landesverfassung durch den König teil. 1979 mußte er das Land verlassen. Shihabi war Chefredakteur der oppositionellen Zeitung Al-Alam, die zwischen 1983 und 1999 in London herausgegeben wurde. Nach seiner Rückkehr 2001 während eines kurzen Tauwetters zwischen dem neuen König und der Opposition eskalierte die Lage abermals und Shihabi verließ erneut das Land. Am 26. Juni 2011 wurde er in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt.



Interview: Werner Pirker

* Aus: junge Welt, 29. Oktober 2011


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