Blanker Zynismus
Menschenrechtsaktivisten aus Bahrein verurteilen Panzerdeal mit Saudi-Arabien. Bundesinnenministerium dementiert Ausbildung saudischer Geheimdienstler
Von Sebastian Carlens *
Eine Einschätzung der geplanten Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien durch Menschenrechtsaktivisten und Publizisten aus Bahrain und Israel stand am Dienstag (19. Juli) im Mittelpunkt einer Pressekonferenz mit internationaler Besetzung. Seit der vom Bundessicherheitsrat genehmigte Export von 200 Leopard-Panzern an das arabische Königreich publik wurde, übten die deutschen Oppositionsparteien ebenso wie Vertreter von Menschenrechtsverbänden und Friedensorganisationen heftige Kritik an dem Rüstungsgeschäft. Die Stimmen von Aktivisten aus dem nahöstlichen Raum selbst vernehmbar zu machen, war der Anspruch der Pressekonferenz, zu der das Netzwerk Campact eingeladen hatte.
Der Menschenrechtsaktivist Mohammed Al-Maskati aus Bahrain berichtete, wie seit Monaten saudische Panzer die gewaltsame Niederschlagung der Demokratiebewegung in dem Inselstaat am Persischen Golf erst ermöglichen. »Saudi-Arabien hilft aktiv, die Pro-Demokratie-Proteste in Bahrain zu unterdrücken. Sie machen dies, indem sie Soldaten, aber auch Panzer nach Bahrain schicken«, sagte Al-Maskati. Für »Human Rights Watch« kritisierte Christoph Wilcke die systematischen Menschenrechtsverletzungen in beiden Ländern. »Saudi-Arabien hat die Bemühungen einheimischer Reformer, Demokratie und einen besseren Schutz der Menschenrechte zu erkämpfen, wieder und wieder niedergeschlagen«, so Wilcke. »Panzer zu verkaufen und gleichzeitig über Menschenrechtsverletzungen hinwegzusehen, ist das falsche Signal.« Yoav Sapir, Deutschlandkorrespondent der israelischen Tageszeitung Maariv, widersprach der Behauptung aus Koalitionskreisen, die Sicherheitslage Israels sei entscheidend für die Zustimmung zum Panzerexport gewesen. Die Situation des Landes würde durch die Panzerlieferung nicht verbessert, sondern auf Dauer nur verschlechtert werden, wie es in der Vergangenheit auch immer wieder der Fall gewesen sei, wirft Sapir der Bundesregierung vor. »Ob im Libanon, Palästina, dem Irak, der Türkei, dem Iran, Ägypten oder andernorts: Die Leistungen, die Israel selbst und seine Freunde wie die USA zunächst für scheinbar ›Verbündete‹ erbracht haben, sind früher oder später stets in die Hände neuer, feindlicher Regimes geraten«, behauptete Sapir.
Die »außenpolitische Vernunft der christdemokratisch geführten Regierung« in Frage gestellt, sieht Christine Hoffmann, Sprecherin der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt die Waffenexporte«, wenn sie meint, »Sicherheit auf Kosten von Menschenrechten erreichen zu können«. Ohnehin sei Sicherheit kein unabhängiger Wert und verliere jede Grundlage, wenn sie sich vom Schutz der Rechte jedes einzelnen löse. »Der Export von Panzern nach Saudi-Arabien ist aus friedensethischer Perspektive abzulehnen.« Den Widerspruch aus verbaler Unterstützung der arabischen Revolten und gleichzeitiger Hochrüstung der ärgsten Feinde einer Demokratisierung durch die deutsche Regierung benannte Christoph Bautz vom Kampagnennetzwerk Campact: »In Tunis und Kairo ließ sich Außenminister Westerwelle von der Demokratiebewegung feiern. Jetzt will er das repressive Regime in Riad mit deutschen Hightech-Waffen gegen die Freiheitsbewegung hochrüsten«, sagte Bautz. »Das ist eine an Zynismus kaum zu überbietende Politik.«
Das Bundesinnenministerium trat bereits am Montag Medienberichten entgegengetreten, wonach auch saudische Geheimdienstoffiziere durch die deutsche Bundespolizei ausgebildet worden sein sollen. »Diese Behauptung weisen wir zurück«, teilte ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur dapd mit. Das ARD-Magazin »Fakt« hatte am Montag abend berichtet, allein im Jahr 2010 seien mindestens drei Ausbildungskurse von saudischen Geheimdienstmitarbeitern besucht worden. Laut Ministeriumsangaben handelt es sich um einen Übersetzungsfehler. Es habe sich bei den Offizieren nicht um Geheimdienstler, sondern um Angehörige der Aufklärungs-/Ermittlungskomponenten des saudischen Grenzdienstes gehandelt.
* Aus: junge Welt, 20. Juli 2011
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