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Junta ächten

Klage gegen Königshaus Bahrains vor Internationalem Strafgerichtshof in Den Haag eingereicht

Von Jürgen Cain Külbel *

Die in Beirut beheimatete politische Aktivistin und Rechtsanwältin May Al-Khansa, Präsidentin der in Washington registrierten »Internationalen Koalition gegen Straffreiheit« (ICAI), hat am Samstag vergangener Woche bei Luis Moreno Ocampo, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag, eine 348seitige Klageschrift gegen die Königsfamilie des Golfarchipels Bahrain eingereicht. Dort protestiert seit dem 14. Februar 2011 die schiitsche Bevölkerungsmehrheit gegen die sunnitische Herrscherfamilie und den selbsternannten König Hamad ibn Isa Al-Khalifa. Die Demonstranten fordern einen Regierungswechsel, ein Minimum an politischer und sozialer Gerechtigkeit, eine neue Verfassung sowie die Wahl von Ministerpräsident und Regierung durch das Volk. Das Herrscherhaus des 1,2 Millionen Einwohner starken Landes, dessen Fläche so groß wie Hamburg ist, ließ die friedlichen Massenproteste bislang von Geheimdienst, Nationalgarde und den auf Bitte des Königs aus Saudi-Arabien und den Emiraten einmarschierten Truppen blutig niederschlagen. Amnesty International sprach in seinem im April 2012 veröffentlichten »Bericht zur Lage in Bahrain« von bislang 50 getöteten Demonstranten, Hunderten politischen Gefangenen und von Folter.

May Al-Khansa, bei Übergabe der Klage von den spanischen Anwälten Juan Ramon Marcos Coloma, ­Adnan Ezzeddin, Yvette Galeano Cossio und Dr. Ivan Garcia Ayuso begleitet, forderte den Chefankläger auf, König Hamad ibn Isa Al-Khalifa anzuklagen und längst überfällige Schritte einzuleiten, damit die »Verbrechen gegen die schutzlosen Bahrainer« ein Ende finden. Das aus gutem Grund: Bereits im Mai 2011 hatte ICAI dem Gericht erstes umfangreiches Beweismaterial vorgelegt, das dort unter der Aktennummer OTP-CR-117/11 »abgelegt« wurde; so wie weitere sechs nachgereichte Beweismittelbände. Al-Khansa gegenüber jW: »Die jetzige Klageschrift macht Druck und wirft dem Regime von Al-Khalifa Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Massaker in Bahrain vor.« Die Liste derer, die ICAI angeklagt sehen möchte, ist lang und reicht von König Khalifa über Premier Prinz Khalifa ibn Selman Al-Khalifa, mehrere Vizes und Minister, allesamt aus der Khalifa-Familie, bis zu Offizieren und Offiziellen aus Militär und Staatssicherheit; alles in allem 139 namentlich Angeklagte, denen konkrete Verbrechen zugeordnet werden.

Al-Khansa und Anwälte sind sich ihrer Rolle als anklagende Don Quichottes bewußt: Die Unruhen in Bahrain spielen sich direkt vor dem Hafengelände der 5. Flotte der US Navy ab, die in dem Inselstaat 6200 Matrosen und US-Zivilbeschäftigte stationiert hat. Da das Königshaus Khalifa seit Jahrzehnten enger Verbündeter der USA ist und der Stützpunkt einen strategischen Gegenpol zum Einfluß des Irans im Persischen Golf darstellt, läßt sich das ansonsten regime-change-lüsterne Washington von den Demokratiebestrebungen vor Ort nicht im geringsten beeindrucken. »Unsere beiden Staaten haben viele gemeinsame strategische Interessen und arbeiten … zur Erhaltung der regionalen Sicherheit zusammen«, betonte Außenministerin Hillary Clinton noch im November 2011. Wen wundert es, daß Washington, wie in Al-Khansas Klage dokumentiert, den Expolizeichef von Miami, John Timoney, nach Bahrain beorderte, um den einheimischen Sicherheitskräften bei der »Niederschlagung der Unruhen« zu assistieren. Auch John Yates, vormals Kriminaldirektor der Metropolitan Police des britischen Königreichs, kam zur Rettung der Macht des Herrschers Khalifa ins Land.

Solange Den Haag die Augen verschließt vor dem Barbarentum des Königshauses und seiner Handlanger, die Babys mit Tränengas töten, Regimegegner ermorden, auf Demonstranten mit Schrot schießen, Menschen foltern und verschwinden lassen, wollen Al-Khansa, ihre spanischen Anwaltskollegen und die Organisation ICAI dem Chefankläger in Den Haag keine Ruhe lassen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag 7. Juni 2012


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