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Nur einmal noch Rot-Schwarz?

Österreichs Konservative setzen SPÖ nach Nationalratswahl unter Druck

Von Hannes Hofbauer, Wien *

Die österreichischen Sozialdemokraten werben nach Verlusten bei der Parlamentswahl um eine Neuauflage der rechnerisch nur noch knapp möglichen Großen Koalition. Doch die konservative ÖVP ziert sich noch.

Mit ihren jeweils schlechtesten Ergebnissen seit 1945 sind die Regierungspartner von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) beim sonntäglichen Urnengang von den Wählern abgestraft worden. Gemäß dem vorläufigen Endergebnis kommen sie gemeinsam auf 50,9 Prozent der Stimmen, mit einer knappen Mehrheit an Mandaten (99 von insgesamt 183) könnten sie die bisherige Arbeit fortsetzen. Die rechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) legte indes auf 21,4 Prozent und 42 Sitze zu, die erstmals kandidierenden NEOS übersprangen die Vier-Prozent-Hürde und werden mit neun Abgeordneten im Nationalrat vertreten sein. Grüne (11,5 Prozent) und Team Stronach (5,8 Prozent) blieben dagegen hinter den Erwartungen und Befürchtungen zurück. Die beiden von Millionären finanzierten Parteien, das Team Stronach (Magna/Autoteile) und NEOS (Strabag/Bauwirtschaft), übernahmen ziemlich exakt den Stimmenanteil des von Jörg Haider ins Leben gerufenen Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) aus dem Jahr 2008, das von damals 10,7 nun auf 3,6 Prozent abgestürzt und aus dem Parlament ausgeschieden ist.

Die Kommunisten müssen sich mit einem Prozent zufriedengeben. KPÖ-Landessprecher Leo Furtlehner bezeichnete den geringen Zuwachs von 0,2 Prozent als erfreulich, wenngleich das Ergebnis von 2006, das bislang beste für die KPÖ seit den 1970er Jahren, nicht erreicht werden konnte. Die KPÖ wertete den Wahlausgang insgesamt als »Rechtsruck«, da die drei Rechtsparteien FPÖ, Team Stronach und das BZÖ zusammen über 30 Prozent erreicht haben. »Die Wahl dieser Parteien muss mit Fug und Recht als der berühmte Schuss ins eigene Knie bezeichnet werden«, so Furtlehner.

Neben dem Erstarken der FPÖ und einer von 78,8 auf 65,9 Prozent gesunkenen Wahlbeteiligung ist vor allem die Oligarchisierung – wenngleich auf niedrigem Niveau – der Parteienlandschaft bemerkenswert. Mit dem 81-jährigen Austro-Kanadier Frank Stronach und Hans Peter Haselsteiner (NEOS) betraten Figuren das politische Terrain, die glauben, sich Politik direkt kaufen zu können. Die entsprechenden Parteien gleichen in ihrer Struktur eher liberalen Klubs als gesellschaftlich relevanten Organisationen.

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse hat die SPÖ ihre Position bekräftigt, dass eine rechnerisch mögliche Koalition mit der FPÖ für sie nicht in Frage käme. Österreichs SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann machte am Montag deutlich, sich bei Koalitionsgesprächen klar auf die Konservativen konzentrieren zu wollen. Er versprach eine »stabile Regierung« ohne die FPÖ.

War es bisher vor allem die Ausländerfeindlichkeit der Rechtspartei, die bei den Sozialdemokraten auf Abscheu stieß, so argumentierte die SPÖ-Parteizentrale diesmal in erster Linie mit der sogenannten Europafeindlichkeit der FPÖ, die eine Zusammenarbeit unmöglich machen würde. Dieses Argument war indes bereits mehr in Richtung ÖVP gerichtet, die sich am Wahlabend auch die Möglichkeit einer Koalition mit der FPÖ explizit offen hielt. Der ÖVP-Spitzenkandidat und amtierende Vizekanzler Michael Spindelegger sah in einer ersten Stellungnahme im Wahlergebnis einen Denkzettel für die fünfjährige Regierungsarbeit und meinte, dass es so nicht weitergehen könne. »Ich schließe niemanden von einer Zusammenarbeit aus«, drohte er in Richtung SPÖ. Gemeinsam mit der FPÖ und einer der beiden liberalen Unternehmerparteien Team Stronach oder NEOS könnte der liberale Flügel der Christkonservativen versucht sein, eine Regierung zu bilden. Als Vorbild würde die Regierung Wolfgang Schüssel aus dem Jahr 2000 dienen, die die FPÖ salonfähig gemacht hatte.

Viel wahrscheinlicher ist indes die Fortsetzung von Rot-Schwarz. Die von konservativer Seite mehrfach betonte Einschätzung, dass ein Weiterwursteln nicht gewünscht sei, zielt aber eher darauf ab, einen dritten Partner mit ins Regierungsboot zu holen. Die NEOS haben sich von Beginn ihres Wahlkampfes an für eine Regierungsteilnahme angeboten; politisch-personell wären sie billig zu haben, ihr Kernthema »Weniger Staat« würde der SPÖ zusetzen und die ÖVP mehr in die politische Mitte rücken. Die Verantwortung für schmerzhafte soziale Einschnitte könnten den liberalen Hardlinern der NEOS in die Schuhe geschoben werden.

Ein Ministeramt ist jedenfalls schon frei: Unterrichts- und Kulturministerin Claudia Schmied gab am Montag ihren Rücktritt bekannt. Als Beweggründe nannte die Sozialdemokratin andere berufliche Angebote sowie mehr Zeit für Familie und Freunde. Schmied hatte das Amt seit 2007 inne. »Unter den gegebenen Rahmenbedingungen bin ich sehr froh darüber, dass wichtige bildungspolitische Reformschritte gelungen sind«, schrieb sie. Die als überfällig geltende umfassende Schulreform scheiterte immer wieder an der Blockade der Konservativen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 1. Oktober 2013


Rechte Optionen

Sozialdemokraten und Konservative verlieren bei Parlamentswahlen an Boden, Kleinparteien und Nationalisten legen zu

Von Simon Loidl, Wien **


Die beiden bisherigen österreichischen Regierungsparteien, die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) und die konservative Volkspartei (ÖVP), haben bei den Wahlen zum Nationalrat ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Kam die SPÖ bei den Wahlen 2008 noch auf 29,3, so konnte sie am Sonntag nur mehr 27,1 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich gewinnen. Die ÖVP rutschte von 26 auf 23,8 Prozent ab. An dritter Stelle und mit deutlich geringerem Abstand zur ÖVP als 2008 landete die rechte Freiheitliche Partei (FPÖ) mit 21,4 Prozent – ein Plus von 3,9 Prozent gegenüber den Parlamentswahlen vor fünf Jahren. Den Grünen gelang es, ihr Ergebnis um etwas mehr als ein Prozent auf 11,5 Prozent zu verbessern.

Bereits vor der Abstimmung war klar, daß die größten Unwägbarkeiten im Bereich der Kleinparteien liegen. Und tatsächlich sorgten die rund 6,3 Millionen Wahlberechtigten hier für Neuerungen. Erwartungsgemäß schaffte das von Milliardär und Magna-Konzerngründer Frank Stronach gegründete »Team Stronach« mit 5,8 Prozent den Einzug in das Parlament. Auch mit dem Ende der vom 2008 verstorbenen ehemaligen FPÖ-Chef Jörg Haider gegründeten »Bündnis Zukunft Österreich« (BZÖ) wurde bereits vor dem Urnengang gerechnet – die Partei verfehlte die Vier-Prozent-Hürde um 0,4 Prozentpunkte.

Trotz des BZÖ-Absturzes kommen die Parteien des rechten Lagers damit zusammen auf mehr als 30 Prozent der Stimmen. Die bisherigen Rechtsaußen-Wahlerfolge von 1999, als die FPÖ 26,9 Prozent erzielte, oder 2008, als FPÖ und BZÖ zusammen auf mehr als 28 Prozent kamen, wurden am Sonntag noch einmal übertroffen. Der Grund dafür liegt im Versagen der Parteien links der ÖVP. Die Grünen sind nicht in der Lage und die SPÖ nicht willens, die soziale Frage zu thematisieren. Der FPÖ gelingt dies über die Ausländerfeindlichkeit, der von den anderen Parteien lediglich moralische Empörung entgegenhalten wird. Die materiellen Gründe für Unzufriedenheit und Ressentiments – steigende Arbeitslosigkeit, Existenzsorgen vor allem junger Menschen – werden nicht thematisiert. Dabei ist laut Meinungsforschungsinstituten relativ klar, woher die Wahlerfolge der FPÖ kommen: 34 Prozent der Arbeiter und 32 Prozent der Männer unter 30 Jahren stimmten aktuellen Umfragen zufolge für die Truppe von Heinz-Christian Strache.

Größte Überraschung des Wahl­abends war der Einzug der Neos, die auf Anhieb 4,8 Prozent gewann. Die vom Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner finanzierte neue Partei verbindet die Bürgerlichkeit der ÖVP mit liberalen gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Grünen und einem aggressiv-neoliberalen Wirtschaftsprogramm. Die Kommunistische Partei (KPÖ) erreichte ein Prozent, die ebenfalls bundesweit kandidierenden Piraten 0,8. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 65,9 Prozent – somit nahmen fast 13 Prozent weniger an der Abstimmung teil als noch 2008.

Die beste Ausgangsposition für die kommenden Koalitionsverhandlungen hat trotz ihres schlechten Abschneidens die ÖVP. Die Konservativen werden mit ziemlicher Sicherheit in der nächsten Regierung sitzen – sei es weiterhin als Juniorpartner in einer »großen« Koalition oder als Anführer eines rechtsbürgerlichen Bündnisses mit FPÖ und »Team Stronach«. Auch ein Bündnis aus ÖVP und FPÖ mit Unterstützung der Neos scheint nicht ganz ausgeschlossen. Neos-Chef Matthias Strolz verkündete am Wahlabend im österreichischen Fernsehen, seine Partei »möchte mit allen Parteien zusammenarbeiten, auch mit der FPÖ«.

In den bisherigen Regierungsparteien werden indes jene Stimmen lauter, die angesichts der Verluste vor einer Neuauflage von Rot-Schwarz warnen. Eine neue große Koalition könnte tatsächlich zu einem Ende der am Sonntag nur mehr knapp erreichten Mehrheit für SPÖ und ÖVP führen. Aufgrund dieser Ausgangslage dürfte die Volkspartei relativ selbstbewußt und mit entsprechend hohen Forderungen in Verhandlungen mit den Sozialdemokraten gehen, zumal letztere weit und breit keinen alternativen Koalitionspartner in Sicht haben.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 1. Oktober 2013


Blaues Auge für die SPÖ

Von Katja Herzberg ***

Auch in Österreich gilt: Eine schwache Wahlbeteiligung spielt den rechten Kräften in die Hände. Nicht einmal zwei Drittel der Wahlberechtigten in Österreich haben von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Die Sozialdemokraten litten darunter besonders: Sie verloren zwölf Prozent ihrer Unterstützer von 2008 an die Nichtwähler. Auch wenn die SPÖ wieder stärkste Kraft im neuen Nationalrat geworden ist, kann sie sich nicht als Wahlsieger feiern.

Schon deshalb nicht, da sie durch den Zuwachs für die rechtspopulistische FPÖ unter Druck gerät. Rechnerisch ist eine Koalition ohne SPÖ möglich. So geht die ÖVP, obwohl auch sie erneut Stimmen einbüßte, aus einer taktisch besseren Position in die Koalitionsverhandlungen und wird ihren Forderungen künftig mehr Beachtung verschaffen können.

Letztlich könnte aber – schlimmer noch – die FPÖ zum Wahlsieger avancieren. Deren Anführer Karl-Heinz Strache gelang es mit seiner nationalistischen bis fremdenfeindlichen Kampagne ein Drittel der Wähler der FPÖ-Absplitterung BZÖ von 2008 zu seinen Blauen zu locken. Die Alpen- und Donaurepublik scheint zumindest ihre jüngere Vergangenheit mit Schüssels ÖVP-FPÖ-Koalitionen (1999-2007) nicht so recht aufgearbeitet zu haben. Im schlimmsten Falle kehren die Rechtspopulisten nun zurück auf die Regierungsbank, im besten Fall treiben sie eine Neuauflage der Großen Koalition vor sich her – auch dann wäre die SPÖ immer noch mit einem blauen Auge gestraft.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 1. Oktober 2013 (Kommentar)


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