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Todesstrafe und Langeweile

Österreich: Ausländerfeinde und ein Milliardär prägen den Wahlkampf

Von Simon Loidl, Wien *

Am kommenden Sonntag finden in Österreich Nationalratswahlen statt. Über sechs Millionen Stimmberechtigte sind dazu aufgerufen, über die Zusammensetzung des Parlaments und damit über die künftige Regierung zu entscheiden. Seit den Wahlen 2008 regieren die Sozialdemokraten (SPÖ) mit der konservativen Volkspartei (ÖVP). Die beiden größten Parteien des Landes erhielten damals 29,3 bzw. 26 Prozent der Stimmen, aktuelle Umfragen prognostizieren beiden Verluste von zwei bis vier Prozent. Eine erneute absolute Mehrheit für die derzeitigen Regierungsparteien ist damit alles andere als sicher.

Andere Zweierkoalitionen werden nach derzeitigem Stand aber auch nicht möglich sein. Zugewinne dürfte es für die Grünen (2008: 10,4 Prozent) und die rechte Freiheitliche Partei (FPÖ, 2008: 17,5 Prozent) geben. Die FPÖ-Abspaltung »Bündnis Zukunft Österreich« (BZÖ, 2008: 10,7 Prozent) könnte diesmal Probleme damit haben, die Vier-Prozent-Hürde zu nehmen. Dem neuen »Team Stronach« werden bis zu zehn Prozent der Stimmen prognostiziert.

Parteichef Frank Stronach sorgte mit skurrilen TV-Auftritten für Unterhaltung im Wahlkampf. So ließ der Gründer des Magna-Konzerns durch seiner während eines Interviews mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) offenbar spontan entstandene Forderung nach der Einführung der Todesstrafe für »Berufskiller« aufhorchen. Die Reaktionen der politischen Konkurrenz reichten von empörter Ablehnung bis zu nachsichtigem Kopfschütteln. Obwohl das »Team Stronach« erst vor gut einem Jahr gegründet wurde, hat es bereits fünf Parlamentsabgeordnete. Der 81jährige Milliardär Stronach konnte einen SPÖ-Abgeordneten und vier BZÖ-Parlamentarier für einen Übertritt in seine Partei gewinnen. Andere Nationalratsmitglieder berichteten davon, daß Stronach ihnen hohe Geldsummen für eine Mitarbeit in seinem »Team« angeboten habe.

Stronach dürfte vor allem FPÖ und BZÖ Stimmen wegnehmen. Während letztere sich von den »Freiheitlichen« durch ein »rechtsliberales« Image abzugrenzen versucht, setzen die von Heinz-Christian Strache angeführten FPÖler erneut auf ausländerfeindliche Parolen, die sie seit einigen Jahren mit pseudochristlicher Rhetorik unterfüttern. So hängen derzeit im ganzen Land Plakate, auf denen Strache neben dem Spruch »Liebe deine Nächsten – Für mich sind das unsere Österreicher« zu sehen ist. SPÖ-Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) wagen es nicht, offensiv gegen Ausländerfeindlichkeit aufzutreten. Zu groß ist die Angst, Stimmen an die FPÖ zu verlieren. Beide distanzierten sich etwa von Werbematerialien in türkischer Sprache, die Mitglieder mit Migrationshintergrund in Eigenregie herstellen ließen, um ihre Parteien zu unterstützen.

Ansonsten drehen sich die Debatten um Bildungspolitik und neue Steuerkonzepte – Dauerthemen, die für wenig Aufregung in der Wahlauseinandersetzung sorgten. SPÖ und ÖVP waren darum bemüht, sich nach fünf Jahren Koalition voneinander abzugrenzen. Die Sozialdemokraten wagten sich dabei an etwas Klassenkampfrhetorik, während die Volkspartei ihre Unternehmerfreundlichkeit betonte.

Begleitet wird der Wahlkampf von Korruptionsverfahren, in denen Unregelmäßigkeiten aus der Zeit der Rechtskoalitionen von ÖVP und FPÖ bzw. BZÖ aufgeklärt werden sollen. Aber auch gegen die SPÖ wurden zuletzt im Zuge des sogenannten Telekom-Prozesses, bei dem Zahlungen des Unternehmens an Parteien nachgegangen wird, Vorwürfe laut. Die Grünen profitieren von ihrem Image als einzige »saubere Partei« im Parlament.

Ein Thema, das trotz seiner Relevanz für die Budgets der kommenden Jahre hingegen kaum eine Rolle spielt, ist die Pleite der Hypo-Alpe-Adria-Bank. Bisher flossen bereits 3,1 Milliarden Euro an Steuergeldern in die 2009 durch »Notverstaatlichung« gerettete ehemalige Tochter der Bayrischen Landesbank. Ein Ende ist nicht abzusehen. Anfang September genehmigte die EU-Kommission weitere staatliche Hilfen von bis zu 8,6 Milliarden.

Neben den bereits genannten treten drei weitere Gruppen bundesweit zur Nationalratswahl an. Es sind die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), die Piraten und die neoliberalen Partei NEOS.

* Aus: junge Welt, Montag, 23. September 2013


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