Arnold Schwarzenegger fällt in seiner Heimatstadt Graz in Ungnade
Aberkennung des "Ehrenrings" beantragt. Grund: Der "große Sohn" der Stadt lässt Todesurteile vollstrecken
Die sozialdemokratische, die kommunistische und die grüne Fraktion im Grazer Gemeinderat haben am 11. Februar 2004 Mittwoch einen Antrag eingebracht, der zum Ziel hat, das Arnold-Schwarzenegger-Stadion umzubenennen und den Ehrenring, den die Stadt "ihrem großen Sohn" zuerkannte, zurückzufordern. Grund ist das Ja des einstigen Schauspielers und nunmehrigen kalifornischen Gouverneurs zur Todesstrafe. Während KPÖ und Grüne fordern, Schwarzenegger solle umgehend alle 640 in Kalifornien zum Tode Verurteilten begnadigen, wollen die Sozialdemokraten Schwarzenegger noch eine "Galgenfrist" von einem halben Jahr geben, meldet der Österreichische Rundfunk. Nach dem unlängst durch ein Gericht erreichten Hinrichtungsaufschub für Kevin Cooper biete sich die Chance, den Gouverneur von der notwendigen Abschaffung der Todesstrafe zu überzeugen. Diese Einsicht soll unter anderem eine Wirtschaftsdelegation bewirken, die demnächst aus der Steiermark nach Kalifornien aufbricht.
Immer noch findet sich auf der Homepage der Stadt Graz ein Porträt Schwarzeneggers. Wir zitieren daraus:
"Seit 1999 trägt Arnold Schwarzenegger den Ehrenring der Stadt Graz. Als Anerkennung für seine grossen Leistungen im Sport, in der Filmbranche, aber vor allem für seinen Einsatz im Bereich der Special Olympics und seines karitativen Engagements."
"Am 7. Oktober 2003 wurde er mit überwältigender Mehrheit zum Gouverneur von Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA, gewählt. Alles Gute!"
(Homepage der Stadt Graz)
Im Folgenden dokumentieren wir die beiden Anträge, die am 11. Februar dem Grazer Parlament vorlagen.
SPÖ: Petition betreffend Abschaffung Todesstrafe
Dringlicher Antrag an den Gemeinderat
eingebracht von Herrn Gemeinderat Karl-Heinz Herper in der ordentlichen Sitzung des Gemeinderates vom 11. 2. 2004
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!
Seit einigen Wochen steht das Schicksal des von einem kalifornischen Gericht zum Tode verurteilten US-Bürgers Kevin Cooper im Blickpunkt. Inwieweit Kevin Cooper des Mordes tatsächlich schuldig ist, soll hier nicht Thema unserer Überlegungen sein. Diese Antwort beschäftigt ohnedies nochmals die amerikanischen Gerichte. Uns geht es vielmehr grundsätzlich um die Frage, inwieweit ein Mensch das moralische Recht hat, jemanden dadurch zu bestrafen, indem er ihn tötet oder töten lässt. Und die Antwort auf diese Frage ist schlicht und einfach aus unserem Verständnis heraus: dieses Recht hat niemand, nicht zuletzt deshalb ist das Verbot der Todesstrafe beispielsweise ja auch eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme in die EU. Und dieses Verbot der Todesstrafe ist ja beileibe nicht nur auf den europäischen Kulturraum beschränkt – auch in zahlreichen US-Bundesstaaten, um auf den Schauplatz des konkreten Anlassfalles zu sprechen zu kommen, sind Hinrichtungen nicht vorgesehen.
In diesem Zusammenhang darf auch darauf verwiesen werden, dass der
Europarat die Todesstrafe grundsätzlich ablehnt, da die Todesstrafe sich zur
Abschreckung als uneffektiv erwiesen hat und nicht zuletzt insofern tragische
Folgen haben kann, als das menschliche Urteil nicht fehlerfrei ist und somit
auch unschuldige Menschen hingerichtet worden sind.
In jenen US-Bundesstaaten, in denen Todesurteile nach wie vor Teil des
Rechtssystems sind, haben die Gouverneure die Möglichkeit, gegenüber
Verurteilten einen so genannten Gnadenakt zu setzen und die Todesurteile
aufzuheben. Der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger lehnte im
Fall Cooper einen solchen Gnadenakt ab. Hätte nicht das Gericht den
neuerlichen Eingaben der Anwälte des Verurteilten Rechnung getragen, da
offenbar Zweifel an der Schuld von Kevin Cooper bestehen, wäre die
Hinrichtung gestern vollstreckt worden.
Und diese Zweifel sollten denn auch für den Gouverneur von Kalifornien nur ein
Grund mehr sein, die Todesstrafe insgesamt zu überdenken. Denn, nochmals:
Kein Mensch hat das Recht, einen anderen Menschen zu töten – und in dem
Sinne kann sich auch kein staatliches Organ das Recht herausnehmen, einen
anderen Menschen töten zu lassen. Gerade am Vorabend des 12. Februar, 70
Jahre nach dem blutigen Bürgerkrieg in Österreich, der gezeigt hat, dass sich
Gewalt niemals zur Konfliktbewältigung und Problemlösung eignet, dürfen wir
uns als Menschenrechtsstadt das Recht herausnehmen, Gouverneur Arnold
Schwarzenegger dazu auffordern, nicht nur im Fall Kevin Cooper einen Akt der
Humanität zu setzen – in den kalifornischen Gefängnissen sitzen 640
Verurteilte in Todeszellen. Wir appellieren daher an Arnold Schwarzenegger,
diese Todesurteile insgesamt auszusetzen und eine Initiative zu starten mit
dem Ziel, die Todesstrafe aus dem kalifornischen Rechtssystem zu verbannen.
In diesem Sinne stelle ich daher namens der sozialdemokratischen
Gemeinderatsfraktion den
dringlichen Antrag:
(1) Der Gemeinderat der Stadt Graz möge im Sinne des vorliegenden
Motivenberichtes in einer dringlichen Petition den Gouverneur des USBundesstaates
Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, auffordern, die in den
Todeszellen auf ihre Hinrichtung wartenden Verurteilten insofern zu
begnadigen, als diese Todesurteile aufgehoben werden und gleichzeitig eine
Initiative zu starten, dass im US-Bundesstaat Kalifornien – wie bereits in
etlichen anderen US-Bundesstaaten – Hinrichtungen grundsätzlich verboten
werden.
(2) Der Bürgermeister der Stadt Graz wird beauftragt, über eine allfällige
Reaktion (oder Nicht-Reaktion) des Gouverneurs von Kalifornien für die
weiterführenden Beratungen noch im Jahr 2004 zu berichten.
(3) Des weiteren werden die zuständigen Magistratsabteilungen beauftragt, die im November 2003 beschlossenen Richtlinien für die Benennung von
Straßen, Wegen, Plätzen und Parks, wonach diese nicht nach lebenden
Personen benannt werden dürfen, insofern zu überarbeiten, als diese
Auflage in Zukunft grundsätzlich für alle städtischen Gebäude und
Einrichtungen zu gelten hat und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung
vorzulegen ist.
Die Grünen - Alternative Liste Graz
Betrifft: Umbenennung des Schwarzenegger-Stadions
Dringlicher Antrag an den Gemeinderat eingebracht in der Gemeinderatssitzung vom 11. 2. 2004 von GRin Sigi Binder
Vorweg: Die Todesstrafe ist grausam, unmenschlich und verleugnet den
Respekt vor dem höchsten Gut der Menschen, dem Leben. Es gibt keine
einzige Rechtfertigung für ihre Anwendung. Im Gegenteil hat die Praxis der
Todesstrafe deutlich gezeigt, dass durch ihre Vollstreckung Fehlurteile
vollzogen werden, Rassenjustiz gefördert wird und der immer wieder ins Treffen
geführte generalpräventive Zweck der Abschreckung in keinster Weise seine
Erfüllung findet. Jeder Mensch, der zur Aufrechterhaltung der Todesstrafe
beiträgt, verletzt menschliche Grundrechte.
Als nun am 7. Oktober des vergangenen Jahres Arnold Schwarzenegger zum
Gouverneur von Kaliforniern gewählt wurde, lagen sich die politischen Größen
des Landes in den Armen. Die einen deklamierten einen „historischen Tag für
Österreich“, andere sprachen von Freude und Stolz, sowie der Tüchtigkeit der
Österreicher. Landeshauptfrau Klasnic ortete sogar ein astronomisches Wunder
und sah die Sonne in Österreich von nun an nie mehr untergehen. Rückblickend
betrachtet hat die ÖVP in diesen Momenten der
Sympathiebekundungen eine besondere Verantwortung für Gegenwart und
Zukunft übernommen.
Schon Jahre zuvor, im Sommer 1997 wurde dem so gehuldigten, austro -
amerikanischen Filmhelden mit der Benennung des Liebenauer Stadions in
„Arnold Schwarzenegger Stadion“ ein Denkmal in der Landeshauptstadt Graz
gesetzt. Ob der Namensgebung wurden bereits damals erste Kritiken laut. So
war selbst der damalige Bürgermeister Stingl mit der Benennung des Stadions
nach einer noch lebenden Person in weiser Voraussicht nicht ganz glücklich, gilt
es doch bei solchen Akten doch immer das „Gesamtwerk“ einer Person zu
beurteilen, was zu Lebzeiten naturgemäß nicht möglich ist.
2 Jahre später erhielt Schwarzenegger den Ehrenring der Stadt, insbesondere
„für die Vorbildhaftigkeit seines sozialen Engagements für Behinderte, sozial
Schwächere und von Ausgrenzung Bedrohter“.
Nun sind einige Jahre vergangen und der viel gefeierte Filmstar Arnold
Schwarzenegger ist seit knapp 125 Tagen als Gouverneur von Kalifornien im
Amt. Der wenigen Zeit genug, um einen markanten ersten Schlag gegen die
Humanität durchzuführen. Nachdem
Schwarzenegger bereits im vergangenen Jahr aktiv die Kriegspolitik des
amerikanischen Präsidenten unterstützt hatte, was dem Gemeinderat noch
nicht Grund genug für eine Umbenennung des Schwarzenegger Stadions war,
lehnte er nun vor einigen Tagen das Gnadengesuch des zum Tode verurteilten
Kevin Cooper ab und gab so den Weg zur ersten kalifornischen Hinrichtung seit
2 Jahren frei. Für die europäische Wertewelt ein tiefer Schlag und für die
Menschenrechtsstadt Graz ein tragischer Moment.
Die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Graz, der Stadt der Menschenrechte,
haben sich verpflichtet das Leben zu respektieren. Jede Verletzung des Rechts
auf Leben, egal auf welchem Kontinent und in welcher Stadt ist durch die
politische Haltung jedes Einzelnen bzw. jeder Einzelnen politisch
Verantwortlichen entschieden zu bekämpfen und zurückzuweisen.
Ein Mann, der Todesurteile ausspricht, ein Mann, der eine bedenkliche Nähe zu
Gewalt zeigt, ein Mann, der offensichtlich mangelnde Einsichtsfähigkeit beweist
und sich nicht auf dem Boden internationalen Menschenrechte beweg, ist
weder Vorbild noch Ehrenmensch für eine Stadt wie Graz, die eine
Verpflichtung zur Humanität eingegangen ist. Jede Symbolik und jede
Botschaft, die anderes ausdrückt ist, von politischer Seite abzulehnen. Auch
dann, wenn Marktwert, Wirtschaft und Tourismus zu anderem verführen.
Aus den im Motivenbericht genannten Gründen stelle ich heute folgenden
Dringlichen Antrag
Der Gemeinderat möge beschließen,
-
die zuständigen Stellen des Magistrat Graz werden beauftragt, mit der
Stadion Graz-Liebenau, Vermögensverwertungs- und Verwaltungs-GmbH in
Verbindung zu treten, um eine Umbenennung des Arnold Schwarzenegger
Stadions in die Wege zu leiten,
- Arnold Schwarzenegger wird der Ehrenring der Stadt Graz aberkannt,
- unter Koordination der Magistratsdirektion wird eine aus je einem Mitglied aller im Gemeinderat vertretenen Fraktionen bestehende Arbeitsgruppe gebildet, die Überlegungen für eine Neubenennung des Arnold
Schwarzenegger-Stadions anzustellen hat,
- die am 13.11.2003 vom Gemeinderat beschlossenen Richtlinien für die
Benennung von Straßen, Wegen, Plätzen und Parkanlagen, wonach
Voraussetzung für eine Benennung ist, dass die Person bereits verstorben
ist, gelten ab sofort auch für die Benennung von Gebäuden und anderen
permanenten Einrichtungen.
Zum Schluss noch ein Kommentar aus der Wiener Tageszeitung "Kurier"
Große Söhne
Heimat sind wir großer Söhne. Davon weiß Österreich ein Lied zu singen. Wenn wer was wird auf dieser Welt, sind rotweißrote Wurzeln rasch ausgegraben. So geschehen mit vielen Nobelpreisträgern altösterreichischer Herkunft. Wenn einer Gouverneur von Kalifornien wird, stehen wir jubelnd mit ihm im Konfettiregen. Wenn der Exportschlager dann aber, wie zu erwarten, einen schmutzigen Job tut und das Gnadengesuch eines zum Tode Verurteilten ablehnt, weil ihn das Gesetz dazu ermächtigt, sind wir - voran die Außenministerin - "persönlich enttäuscht von Arnie". Und in Graz wird die Umbenennung des "Schwarzenegger"-Stadions sowie die Aberkennung des Ehrenrings der Stadt diskutiert.
Als Hoffnungsschimmer am Horizont strahlt John Kerry, der wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidat, dessen Großvater einige Jahre in Mödling gelebt hat: "Mödlinger Spross bald US-Präsident?" titeln die NÖN.
Wenn uns ein großer Sohn Schande macht, adoptieren wir halt einen anderen. Flexibel wie wir sind. (BB)
Aus: Kurier, 12. Februar 2004
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