Österreichs Parteienlandschaft im Umbruch
Das Motto "Sauberkeit in der Politik" zieht immer mehr Stimmen an
Von Hannes Hofbauer, Wien *
Der Frühling sah Urnengänge in vier
(von neun) Bundesländern Österreichs:
Kärnten, Niederösterreich, Tirol
und Salzburg. Vor den Nationalratswahlen
im Herbst sind die politischen
Karten neu gemischt worden.
Die Sozialdemokraten (SPÖ)
kämpfen gegen den Abstieg, die
konservative Volkspartei (ÖVP)
hält sich auf sinkendem Niveau,
die Grünen freuen sich über kräftige
Zugewinne, FPÖ und Team
Stronach üben sich im Rollentausch.
Mit Ausnahme Kärntens, wo
die Sozialdemokraten nach vielen
Jahren des Haiderismus wieder
den Sessel des Landeshauptmannes
erklimmen konnten, ist die SPÖ
bei allen Wahlgängen hart bestraft
worden. In Salzburg sank die Zustimmung
zwischen 2009 und
2013 von 39 auf unter 24 Prozent.
Spekulationsgeschäfte mit Steuergeldern,
die zu vorzeitigen Neuwahlen
geführt hatten, kosteten
die in Koalition mit der ÖVP regierende
Parteichefin den Posten der
Landeshauptfrau und eine weitere
politische Karriere. Die ÖVP wird
trotz eines Verlustes von 7,5 Prozentpunkten
die Führung des Landes
übernehmen.
Die Grünen sind in Kärnten,
Tirol und Salzburg zu respektabler
Größe gelangt. Ihre Wahlkämpfe
kreisten um ein einziges Thema:
Sauberkeit in der Politik. Der Ruf
nach Maßnahmen gegen persönliche
Bereicherung und Korruption
bei gleichzeitigem Zurückdrängen
ökologischer und sozialer Themen
führte die Partei weiter in die Mitte
der Gesellschaft. Folgerichtig wird
gerade in Tirol – nach oberösterreichischem
Vorbild – an einer
schwarz-grünen Koalition gebastelt.
Mit ihrem zur Schau getragenen
Saubermann-Image kommen
die Grünen bei Teilen des Mittelstands
gut an.
Der zwei Jahrzehnte dauernde
Höhenflug der FPÖ – wenngleich
schon öfter unterbrochen – scheint
indes endgültig vorüber. Das ist
weniger den farblosen Parteiführern
geschuldet als dem Auftauchen
einer neuen Kraft im Parteienspektrum:
dem Team Stronach. Damit hat sich der 80-jährige ehemalige
Chef und Inhaber des weltweit
tätigen Magna-Konzerns einen
Alterstraum erfüllt. Frank
Stronach will der Welt oder zumindest
Österreich zeigen, dass
ein Land wie ein Konzern geführt
werden muss. Außer in Tirol, wo
sich zwei Listen um den Namen
Stronach balgten, haben knapp 10
Prozent der Wähler seine Weltsicht
nicht als Drohung, sondern als
Hoffnung interpretiert. Mit dem
Nimbus einer Protestpartei wildert
Stronach bei früheren FPÖ-Wählern.
Der Höhenflug dürfte allerdings
nicht lange anhalten, weil die
Partei autokratisch auf einen älteren
Herrn zugeschnitten ist.
Soziologen haben die Wahlgänge
im Frühling mehrere Erkenntnisse
gebracht: Städtische
und ländliche Bevölkerung driften
– was ihre Parteipräferenzen betrifft
– auseinander und die Grünen
erobern mit Stimmenzuwachs aus
dem Bürgertum die mittleren
Städte in der Provinz. Dazu ist
sichtbar geworden, dass der sozialdemokratischen
Kanzlerpartei
die sozialen Folgen der Wirtschaftskrise
wesentlich mehr als
anderen Parteien angelastet werden.
Für die Nationalratswahlen
im Herbst müsste die SPÖ eine
Strategie finden, die ihren Absturz
aufhalten kann. Eine Plakatkampagne,
bei der sie sich als »Partei
der Arbeit« präsentiert, wirkt ein
wenig altbacken, könnte aber dazu
dienen, verlorene Stammwähler
neuerlich an die Partei zu binden.
Ein sozialdemokratischer Wahlsieg
im Herbst scheint aus heutiger
Sicht jedoch unmöglich.
* Aus: neues deutschland, Montag, 13. Mai 2013
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