Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gutes tun für die Staatsbürgerschaft

Österreich verspricht schnellere Einbürgerung

Von Hannes Hofbauer, Wien *

Österreichs Koalitionsregierung bereitet ein neues Einbürgerungsgesetz vor. Dessen pädagogisch verbrämter, repressiver Kern: Gute Ausländer werden schneller Österreicher, schlechte müssen länger warten. Empörte Aufschreie der Opposition bleiben bisher aus.

Die derzeitige Regelung, nach der, Unbescholtenheit vorausgesetzt, eine Vergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft nach frühestens zehn Jahren Aufenthalt im Land möglich ist, wird reformiert. Volkspartei (ÖVP) und Sozialdemokraten (SPÖ) haben sich darauf geeinigt, Integrationswilligkeit oder das, was sie darunter verstehen, zu belohnen. Demnach kann in Zukunft eine Einbürgerung bereits nach sechs Jahren stattfinden, wenn der betreffende Neu-Österreicher drei Voraussetzungen erfüllt: Einen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt (das war auch bisher Bedingung), Sprachkenntnisse auf dem Niveau des Abiturs für die erste Fremdsprache und ein dreijähriges Ehrenamt im Dienste der Gemeinschaft.

Letzteres bietet großen Spielraum an Interpretationsmöglichkeiten, weshalb Politik und Medien heftig darüber diskutieren, was mit dem integrationsfördernden Verhalten in einem Ehrenamt gemeint sein könnte. Einigkeit herrscht darüber, dass die Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr in jedem Fall als entsprechende Tätigkeit gelten muss. Wie es allerdings beispielsweise einer frisch zugewanderten Türkin oder Araberin gelingen soll, in die Gemeinschaft der üblicherweise trinkfesten männlich dominierten Feuerwehren aufgenommen zu werden, bleibt dahingestellt. Am anderen Ende der Skala hat Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) schon klar gemacht, was nicht geht: Die Mitgliedschaft in einem anatolischen Kulturverein ist dann hinderlich für die Schnelleinbürgerung, wenn ein solcher Verein »Elemente der Segregation« aufweist. Solche Elemente könnten bereits beim Erlernen geschlechtlich getrennter Volkstänze ausgemacht werden. Trompete spielen in einer örtlichen Blaskapelle wiederum müsste so lange als integrationsfördernd gelten, bis grüne Stadt- oder Gemeinderäte darin ein ebenso segregierendes Treiben sehen wie die Rechten beim türkischen Kulturverein. Wer letztlich welches Ehrenamt als hinderlich oder fördernd für das schnelle Erreichen der Staatsbürgerschaft interpretiert, das müssen eigens eingerichtete Kommissionen an Ort und Stelle klären.

Die Differenzierung zwischen guten und schlechten Zuzüglern bringt nicht nur ein peinlich oberlehrerhaftes Gehabe in das neue Staatsbürgerschaftsrecht, sondern lässt auch die grundlegenden Absichten der politisch Verantwortlichen ahnen: Die Regierung will schlicht ein braveres Volk. Bei einem Migrationsanteil von knapp 20 Prozent für Österreich und knapp 40 Prozent für Wien sind die Dimensionen tatsächlich verlockend. Willige Zuwanderer rasch mit der Staatsbürgerschaft zu versorgen, könnte sich bei Wahlen für die etablierten Parteien lohnen. Kritik oder gar Proteste gegen die Asyl- und Ausländerpolitik, wie sie seit zweieinhalb Monaten in und um die Votivkirche in Wien geäußert werden, hofft die Regierungsseite durch die rasche Vergabe der Staatsbürgerschaft zu ersticken.

* Aus: neues deutschland, Montag 11. Februar 2013


Zurück zur Österreich-Seite

Zur Seite "Migration, Flucht, Vertreibung"

Zurück zur Homepage