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Gesten der Versöhnung

Australien: Premier Abbott kündigt Verfassungsergänzung an. Diese soll auf die Aborigines als erste Einwohner Down Unders verweisen

Von Thomas Berger *

Der australische Premierminister Tony Abbott hat am Sonntag aus Anlaß des Nationalfeiertages eine historische Verfassungsergänzung angekündigt. Bis September, so der Zeitplan, solle ein Passus formuliert werden, der auf die Aborigines als erste Einwohner Down Unders verweist. Nachdem Abbotts Vorgänger Kevin Rudd zu Beginn seiner ersten Amtszeit als Regierungschef nach dem Machtwechsel 2007 eine Entschuldigung von historischer Bedeutung insbesondere an die Angehörigen der sogenannten »gestohlenen Generationen« ausgesprochen hatte, ist nun offenbar auch Abbott bemüht, sich mit einer weiteren Versöhnungsgeste in den Geschichtsbüchern zu verewigen. Gleichwohl warnte der konservative Premier vor einem Schnellschuß. Mehrere Monate bis zu einem solchen Verfassungszusatz seien nötig, um eine Textformulierung zu finden, die von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen werde.

Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Australien Tausende Aborigines-Kinder zur Zwangsassimilation ihren Eltern weggenommen, in Heime und weiße Pflegefamilien gesteckt worden. Da paßt es ins Bild neuer Bemühungen der Politik, einen kritischeren Blick auf die Vergangenheit zu werfen, daß jetzt Adam Goodes zum Australier des Jahres gekürt wurde. Der 34jährige Footballstar ist einer jener Indigenen, die von den staatlichen Verbrechen in früherer Zeit persönlich betroffen waren. Goodes’ Mutter Lisa gehörte noch selbst zur »stolen generation«. Goodes macht keinen Hehl daraus, daß er Aborigines-Wurzeln hat, ist trotz mancher Anfeindungen stolz auf dieses Erbe und bemüht, sich mit seiner Prominenz gegen rassistische Tendenzen in der Gesellschaft zu stellen. Und davon gibt es auch im Australien des Jahres 2014 immer noch eine ganze Menge. Bildung ist einer der Schlüssel, dagegen anzugehen, findet Goodes, der zusammen mit Verwandten eine Stiftung aus der Taufe gehoben hat. Er selbst, gestand der Football-Spieler, habe als Kind noch wie viele andere geglaubt, Australien sei mit der Landung der Schiffe der Ersten Flotte im Januar 1788 gegründet worden.

Tony Abbott mag nach dem Wahlsieg des bürgerlichen Lagers Anfang September in vielerlei Hinsicht eine gesellschaftliche Restauration eingeläutet haben, die oft an dem anknüpft, was zu Zeiten des langjährigen rechtskonservativen Premiers John Howard politische Leitlinie war. Was das Verhältnis der beiden wichtigsten Bevölkerungsgruppen zueinander betrifft, steuert er allerdings einen eher liberalen Kurs. Das Thema, so scheint es nach den ersten Monaten im Amt, liegt ihm wirklich am Herzen – und er sieht die Probleme, mit denen viele Aborigines-Gemeinschaften in den Weiten des Landes nach wie vor kämpfen. Die Ernsthaftigkeit, sich dem stellen zu wollen, unterscheidet ihn durchaus von Julia Gillard, die nach einigen hoffnungsvollen Ansätzen ihres geschaßten Parteikollegen und Vorgängers im Amt des Ministerpräsidenten Rudd nicht mehr viel auf diesem Sektor unternommen hatte.

Aber Australien hat nicht nur gegenüber den Ureinwohnern des Kontinents noch manches wieder ins Lot zu bringen. In der zweitgrößten Metropole Melbourne verwies der sozialdemokratische Oppositionsführer Bill Shorten am Sonntag auf die Vielfalt der Gesellschaft. Die Einwanderer aus allen denkbaren Ländern hätten mit ihrem Beitrag Australien erst zu dem gemacht, was es heute ist, so Abbotts Gegenspieler: »Migranten willkommen zu heißen, ist die Grundlage unseres nationalen Erfolges.« Daß dennoch heute nicht alle gleichermaßen willkommen sind, sparte er aus. Denn in der Abschottungspolitik gegenüber Bootsflüchtlingen sind sich Konservative wie Labor Party weitgehend einig.

* Aus: junge welt, Mittwoch, 29. Januar 2014


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