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Australien vor Rechtsruck

Wahlfavorit Abbott will Asylpolitik weiter verschärfen

Von Barbara Barkhausen, Sydney *

Die Würfel scheinen schon vor der Parlamentswahl am heutigen Sonnabend gefallen zu sein: Die konservativen Liberalen unter Tony Abbott geben sich überzeugt davon, sechs Jahre nach ihrem Gang in die Opposition an die Hebel der Regierung zurückkehren zu können. Was sie nicht zuletzt der Zerstrittenheit der bisher regierenden Labor Party verdanken.

Wenige Tage vor den Parlamentswahlen eskalierte der Wahlkampf in Australien zu einem rassistischen Trauerspiel. In einem Interview für den staatlichen Fernsehsender ABC sagte die liberal-konservative Kandidatin Fiona Scott über ihren Wahlbezirk: »Asylsuchende sind hier ein heißes Thema, weil unser Verkehr so verstopft ist.« Als die Reporterin nachhakte und sie bat, das doch näher zu erläutern, verwies die Politikerin auf den regelmäßigen Stau auf der Autobahn in Richtung Innenstadt. Schuld daran seien die 50 000 Flüchtlinge, die per Boot ankämen. Das seien doppelt so viele Menschen wie in einem der westlichen Stadtteile leben. Außerdem machte die »liberale« Politikerin die Asylsuchenden für Warteschlangen in den Krankenhäusern verantwortlich.

Es war nicht das erste Mal, dass Scott in Australien Schlagzeilen machte. Zuvor war sie bekannt geworden, nachdem sie ihr Parteifreund, der gegenwärtige Oppositionsführer Tony Abbott, als Kandidatin mit »Sex-Appeal« beschrieben und damit die Sexismus-Debatte befeuert hatte.

Fiona Scotts rassistische Aussagen, die ihr Wählerstimmen im sozioökonomisch schwächeren Westen Sydneys einbringen sollen, wurden von Flüchtlingsorganisationen harsch kritisiert. Ian Rintoul von der Refugee Action Coalition nannte Scotts Bemerkungen in einem Interview mit der Tageszeitung »Sydney Morning Herald« schlicht »ignorant«, »absurd« und »lächerlich«. Die Bemerkungen zeigten seiner Meinung nach »die Panikmache und den fremdenfeindlichen Ansatz« der liberal-konservativen Koalition, der die Umfragen einen sicheren Wahlsieg versprechen.

Tatsächlich wurde der Wahlkampf weitgehend von den Themen Asylpolitik und Wirtschaft dominiert. Die nach wie vor problematische Situation vieler Ureinwohner oder der Klimawandel spielten dagegen eine untergeordnete Rolle. Beide Lager – die regierende Labor-Partei unter Premierminister Kevin Rudd und die Konservativen unter Tony Abbott – überboten einander in ihren harten Positionen gegenüber Flüchtlingen. Seit Kevin Rudd in einer parteiinternen Revolte Ende Juni das Steuer in Partei und Regierung von Julia Gillard übernommen hatte, setzte er bereits durch, dass Australien keine Bootsflüchtlinge mehr akzeptiert, sondern sie direkt nach Papua-Neuguinea und auf die Pazifikinsel Nauru abschiebt.

Trotz deutlich geringerer Flüchtlingszahlen will Abbott im Falle eines Wahlsieges die Asylpolitik noch weiter verschärfen. Geht es nach ihm, wird keiner der Asylsuchenden, die per Boot nach Australien kamen oder noch kommen werden, je eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen und keiner wird sie vor Gericht erkämpfen können.

Außerdem plant die Koalition von Liberalen und Nationalen unter Abbott, dass anerkannte Flüchtlinge Sozialhilfe nur im Austausch für Arbeit empfangen dürfen. Abbotts Parole in einer Wahlkampfrede: »Dies ist unser Land und wir entscheiden, wer hierher kommt.« Alle Flüchtlingsboote, die in Australien landen, will er künftig nach Indonesien zurückschicken. Außerdem plant er, indonesischen ihre Boote abzukaufen, so dass Asylsuchende aus Afghanistan, Sri Lanka oder Iran die Überfahrt nach Australien gar nicht mehr wagen können. Sollten Abbott und Kollegen den starken Worten im Falle ihres Wahlsieges Taten folgen lassen, hätte das einen deutlichen Rechtsruck Australiens zur Folge. 70 Prozent der australischen Presse, kontrolliert von Rupert Murdoch, stehen voll dahinter.

In der Labor-Partei dagegen waren sich Rudd und Gillard mehrfach gegenseitig in den Rücken gefallen. Und auch die im März gegründete Wikileaks Partei, die Julian Assange ins Leben gerufen hatte, um einen Sitz im Senat zu erringen, hat die Wählergunst inzwischen durch interne Streitigkeiten verspielt.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 7. September 2013


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