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Ausbau der "Festung Australien"

Große Parteien überbieten sich mit Vorschlägen zur Flüchtlingsabwehr

Von Thomas Berger *

Der Umgang mit Flüchtlingen ist in Australien ein wichtiges Thema im Wahlkampf vor der Parlamentswahl im September. Beide große Parteien wollen Bootsflüchtlinge möglichst konsequent aussperren.

Entspannung haben sie nicht zu erwarten: Australiens Flüchtlinge. Jeder Asylsuchende, der vor Australiens Küsten aufgegriffen wird, solle erst einmal nach Papua-Neuguinea abgeschoben werden. So kündigte der sozialdemokratische Premierminister Kevin Rudd erst vor wenigen Tagen eine neue, harsche Linie an.

Beim Ausbau der »Festung Australien« will das bürgerliche Lager nicht nachstehen. Die Konservativen, die den Kampf gegen »illegal auf dem Seeweg Einreisende« unter ihrem damaligen Regierungschef John Howard zur Staatsdoktrin erhoben hatten, bemühen sich nun, einen noch radikaleren Entwurf als Rudd vorzulegen. Rudds Vorschlag konzentriert sich auf den nördlichen Nachbarn Papua-Guinea und das dortige Lager auf Manus Island, dessen Fassungsvermögen erheblich erweitert werden soll. Oppositionsführer Tony Abbott und sein Schattenminister Scott Morrison haben überdies das winzige Nauru als Abschiebungsort für ungeliebte Ankömmlinge aus Nahost und dem südlichen Asien im Visier. Morrison flog sogar extra in den südpazifischen Inselstaat, um mit dessen Regierung »Sondierungsgespräche« zu führen. Dort würde er – Wahlsieg vorausgesetzt – gerne eine Zeltstadt für 2000 Flüchtlinge errichten. Auch wenn deren Asylanträge anerkannt würden, sollen sie nach konservativer Vorstellung in einer separaten Siedlung weiter auf der Insel untergebracht werden. Nur nicht aufs Festland, lautet die oberste Prämisse.

Morrisons Reise nach Nauru entbehrte nicht der Pikanterie: Der Trip wurde ausgerechnet von einem Zeltproduzenten finanziert, der im Falle einer Verwirklichung des Planes mit dem Auftrag rechnen könnte. Da half es wenig, dass Abbott seinem bedrängten Parteifreund ausdrücklich beisprang und nichts Verwerfliches in der Angelegenheit erkennen mochte.

Lediglich die Grünen brandmarken den menschenverachtenden Wettbewerb der beiden großen Parteien um die Verschärfung der Asylpolitik. Als beschämend bezeichnete die grüne Spitzenfrau Christine Milne den Schlagabtausch. Doch Labor- und Oppositionspolitiker lassen sich durch solche Kritik nicht beirren. Abbott will im Fall eines Regierungswechsels nach den Wahlen auch gleich noch die Armee einspannen, um mit einer »Task Force« die Küstenwache bei der Jagd auf Flüchtlingsboote zu unterstützen. Ein Vorstoß, der selbst in militärischen Kreisen auf Ablehnung stößt. Nicht nur General David Hurley, Chef der Streitkräfte, reagierte ausgesprochen frostig auf die Idee. Die Armee, warnen auch Rechtsexperten, dürfe nicht als Hilfstruppe der Polizei missbraucht werden – das sei gegen die Verfassung.

Einwanderungsminister Tony Burke hat sich derweil am 25. Juli bei einem Kurzbesuch ein Bild von den Zuständen auf Manus Island verschafft. Dort wurde das einst nach Kevin Rudds erstem Amtsantritt 2007 geschlossene Lager im Vorjahr ebenso reaktiviert wie die Anlage auf Nauru. Noch müssen die Gebäude saniert werden, und Burke will die Kapazität in Papua-Guinea deutlich ausbauen. Von derzeit 250 auf bis zu 3000 Personen ist inoffiziell die Rede – bei einer einheimischen Inselbevölkerung von 43 000 Menschen.

Dabei ist Australiens nördlicher Nachbar gerade wegen Gewalt gegen Frauen international in der Kritik. Entsprechende Sorge wegen der Gefährdung weiblicher Flüchtlinge hat jetzt auch Shukria Barakzai, afghanische Parlamentsabgeordnete und Präsidentschaftskandidatin, geäußert. Afghanen machen die größte nationale Gruppe jener Asylsuchenden aus, die auf dem Seeweg nach Australien kommen. Seit 2007 die Labor-Regierung an die Macht kam, haben rund 46 000 Bootsflüchtlinge das Land erreicht.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 1. August 2013


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